Dunkle Häfen - Band 1
von einer Frau vergewaltigen lassen. Ist das eine große Tat?
Aber da steckte wohl wieder sein Vater dahinter, der sein Versagen sicher in gutem Licht dargestellt und ihn als Held beschrieben hatte, dem man böse mitgespielt hatte. James entschuldigte sich bei den Leuten und versicherte ihnen, seine Geschichte später noch zu erzählen. Er musste jetzt dringend seinen Vater sprechen, bevor er vor der Königin stand. Er sollte wohl vorher wissen, was sein Vater erzählt hatte. Er fand ihn in einem angeregten Gespräch mit Robert Harley, den man kürzlich zum Staatssekretär des Auswärtigen ernannt hatte.
Lord Fayford hatte eine Nase dafür, mit wem er Freundschaft pflegen musste. Er merkte schnell, wenn der Stern eines Mannes oder einer Frau im Sinken war und dann distanzierte er sich oder aber er sah sie aufsteigen. Nicht umsonst hatte er unter vier Königen immer seine Macht behalten, sie war gar über die Jahre hinweg gewachsen. Er spürte, wann er loslassen musste. Und er band sich nicht durch ein Amt oder eine Partei. Für wen er Partei ergriff, hing von der Situation ab. So stand man immer auf der Siegerseite. Am schwersten hatte er sich getan, William von Oranien anzuerkennen. Er hielt den Niederländer für einen Usurpator. Die Familie Fayford war lange Zeit katholisch geblieben und Lord Fayford fühlte sich dem Katholizismus im Herzen immer noch zugeneigter als der anglikanischen Staatskirche, obwohl er mittlerweile diesem Glauben angehörte. König William bemerkte nichts von der Ablehnung des charmanten Lords und verhalf seinem Sohn zu glänzenden Aussichten. Und Lord Fayford hatte vor, auch Königin Anne für sich zu gewinnen. Er stellte fest, dass ihm Sir Edward dabei fehlte. Der hätte die gutmütige Frau sicher für sich einnehmen können. Robert Fayford war ein eher steifer und unnahbarer Mensch. Er vermisste den einzigen Freund, dem er stets hatte vertrauen können. Sie kannten sich schon seit den Tagen von König Charles, an dessen vergnügungssüchtigem Hof sie beide neu waren und an dem sie ihre Jugend verbracht hatten. Sir Edward war es auch gewesen, der Lord Fayford klargemacht hatte, dass es nun günstiger wäre, sich William anzuschließen, als König James Ende besiegelt war. Edwards Gott war schon immer die Macht gewesen, Skrupel kannte er nicht.
James fiel zum ersten Mal auf, wie sehr sein Vater in letzter Zeit gealtert war. Waren seine Haare wirklich vor kurzem schon so grau gewesen? Er legte ihm die Hand auf die Schulter.
"Vater, ich muss Euch einen Moment sprechen. Entschuldigt die Störung, Lord Oxford."
"Ah James! Ich komme gleich. Wenn Ihr mich entschuldigen würdet."
Robert Harley neigte den Kopf und betrachtete James neugierig. Lord Fayford folgte seinem Sohn, der sich ein Stück weit entfernte.
"Nun, Vater, was habt Ihr den Leuten erzählt? Sie begrüßen mich wie einen Helden!"
"Bist du das etwa nicht? Ich habe die Tatsachen nur noch etwas besser dargestellt. Ja, ich weiß, es gibt noch die anderen Offiziere. Aber war es denn nicht tapfer, sich für das Vaterland zu opfern und gegen schreckliche Piraten zu kämpfen? Ob das nun klug war oder nicht, es befriedigt ihr Bedürfnis nach Dramatik. Und dass du Wochen in einem Boot herumgetrieben bist, natürlich erst recht..."
"Nur die Dummen werden es nicht durchschauen! Jeder, der etwas davon versteht, wird meine Fehler erkennen."
"Nimm es nicht so tragisch! Es ist viel ehrenvoller, sich nicht ergeben zu haben."
"Ihr hättet mich wenigstens über Eure Geschichten informieren sollen! Ich bin kein unmündiges Kind mehr."
"Das weiß ich. Tut mir leid, doch ich wurde sofort mit Fragen bestürmt. Soll ich da nicht das Beste für dich rausholen? Übrigens, die Königin ist schon ganz gespannt darauf, dich zu sehen. Sicher mag sie den jungen und tapferen Mann, der so viele Widrigkeiten überstanden hat."
"Hört doch auf! Ich würde lieber gar nichts mehr von der Geschichte hören."
"Du kannst sie dir sogar zunutze machen, vergiss das nicht. Die Leute bewundern dich für die Abenteuer, die du erlebt hast."
"Ihr habt wohl recht, aber es gefällt mir nicht. Nun denn, was habt Ihr verändert?"
"Ich habe es nur ein wenig dramatisiert. Und ich sagte, die Piraten seien mit den Franzosen im Bunde gewesen. Das macht es noch schmackhafter."
"Hhmmpff. Schön, dann muss ich wohl das Image des stolzen, aber unvernünftigen Gentleman beibehalten. H auptsache, sie sind beeindruckt", meinte James ätzend.
"So gefällst du mir schon
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