Dunkle Häfen - Band 1
wieder besser. Ich hatte schon befürchtet, dein Ehrgeiz hätte dich verlassen."
"Er ist erblich in unserer Familie, Vater. Wie Wahnsinn. Keiner von uns kann sich von ihm lösen."
James blickte einen Moment merkwürdig drein und seine Gedanken schienen abzuschweifen. Zum hundertsten Male fragte der Lord sich, was wirklich auf dieser Reise vorgefallen war. Sein Sohn hatte ihn mit bruchstückhaften Halbwahrheiten abgespeist, dabei war er ihm gegenüber immer ehrlich gewesen.
"Ihr seid der skrupelloseste Mensch, den ich kenne", meinte James schließlich.
"Das ist eine unverzichtbare Eigenschaft, wenn man an der Macht bleiben oder aufsteigen will. Mitleid kann man sich nicht leisten."
James nickte kalt. Dann verabschiedete er sich und stellte sich den Neugierigen. Bald hingen sie ihm an den Lippen. Lord Fayford war stolz auf seinen Sohn, der mit einer ihm so unangenehmen Sache so gut zurechtkam und ohne mit der Wimper zu zucken übertrieb. Er war eben ein echter Fayford.
"Euer Sohn ist heute Abend ein großer Held... und ein guter Geschichtenerzähler", bemerkte Harley neben ihm.
"Er hat allen Grund, stolz zu sein", erwiderte der Lord die Ironie ruhig. "Er hat schreckliche Strapazen überstanden. Halbtot haben sie ihn aus dem Meer gefischt."
"Niemand bezweifelt den Mut Eures Sohnes, Lord Fayford, ich bemerke lediglich, dass er ein Mann mit Zukunftsaussichten ist. Redner, die ihre Zuhörer in den Bann ziehen können, bringen es meist weit." Harley schaute ihn undurchdringlich an. "Ihr seid wahrlich ein kluger Mann. Schon lange bewundere ich Eure Fähigkeit, die Macht zu bewahren. Kein Umsturz scheint Euch ins Wanken zu bringen."
"Womit habe ich dieses Kompliment verdient?"
"Das werdet Ihr selbst am besten wissen. Ich empfehle mich."
Harley entfernte sich. Lord Fayford fragte sich, ob er etwas wusste. Aber in diesem Fall gab es nicht viel zu verbergen.
Kurz darauf wollte die Königin James sehen. Sie saß neben ihrem Gemahl auf dem Thron. Robert Fayford fragte sich erneut, wie Edward mit ihr ausgekommen wäre. Als sie als junge Männer an König Charles Hof gekommen waren, hatten sich sofort mit ihm verstanden, sie schätzten auch Vergnügungen und Pracht. Mit seinem Bruder James hatte Edward sich nie richtig anfreunden können, dafür billigte Fayford insgeheim dessen Bemühungen, den katholischen Glauben wiedereinzuführen. Edward allerdings erkannte früh den Sturz des Königs und unterstützte William. Der dankte es ihm mit einem offenen Ohr für seine Belange und mit viel Macht. Fayford hatte sich schließlich auch mit dem schweigsamen, hageren König abgefunden. William war ein durchaus fähiger König gewesen. Immerhin war er sehr eifrig darin gewesen, die Franzosen in die Schranken zu weisen, was der Lord als guter Engländer guthieß. Vor seinem Tod hatte König William es besonders bedauert, den Sieg über die Franzosen und ihren Sonnenkönig nicht miterleben zu können. Seine Heimat, die Niederlande, hatten lange unter ihnen zu leiden gehabt. Die Abneigung des englischen Königs hatte stets etwas sehr Persönliches gehabt.
Königin Anne, Williams Schwägerin, war ganz anders als er. Sie wirkte nachgiebig, obwohl sich hinter ihrem rundlichen Aussehen mehr Stärke verbarg, als die meisten annahmen. Ihr Schwager war schroff, unbestechlich und abweisend gewesen, deshalb nicht unbedingt beliebt. Aber er war ein guter Protestant und das beruhigte das Volk und das Parlament, hinter denen ein Jahrhundert der Machtkämpfe und Bürgerkriege lag. Anne war um das Wohl ihres Volkes bemüht und versuchte, Unfrieden zu verhindern. Sie wollte auch nicht Partei ergreifen für eine der beiden Parteien im Parlament, die Whigs und die Tories. Die Königin mochte Lord Fayford schon deshalb, weil er keiner von beiden angehörte. Ehrenvolle Posten hatte er immer abgelehnt, weil sie ihn an andere banden und deren Sturz ihn mitreißen würde. Marlborough und Harley würde man sich später wohl eher erinnern, doch eines Tages würden sie stürzen wie die meisten rasanten Aufsteiger. Doch obwohl er es nicht akzeptieren wollte, wurde der Lord allmählich alt und würde sich irgendwann von der Politik zurückziehen müssen. Aber erst, wenn sein Sohn seinen Platz eingenommen hatte. Er sah, wie der sich aus der Zuhörerschar löste und zur Königin trat. Lord Fayford begab sich ebenfalls dorthin.
"Majestät..." Der junge Mann verbeugte sich vollendet.
Königin Anne schenkte ihm ein Lächeln.
"Wir sind froh, Euch wieder
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