Dunkle Häfen - Band 1
Sir Edward nahm daran teil.
Ramis hatte weiche Knie, als sie nach vorne traten. Vorsichtig hielt sie beim Knicks den Blick gesenkt, bis sie doch neugierig hochsah. Kurz traf sie den Blick des Königs und einen Moment glaubte Ramis irgendetwas in Williams Augen zu sehen, dann war es schon wieder weg, ehe sie es erkennen konnte. Er und seine Königin wandten sich bereits den Nächsten zu. Anschließend gab es ein wenig Tanz. Später war ein Essen eingeplant, wie Ramis den Gesprächen entnehmen konnte. Sir Edward hatte sich natürlich nicht die Mühe gemacht, sie darüber oder über sonst etwas zu informieren.
Sie fühlte sich weiterhin verloren. An ihr streifte jemand vorbei und sie blickte sich um. Zuerst hielt sie ihn für einen kleinwüchsigen Mann, dann erkannte sie, dass es ein Junge war. Er war wie ein Erwachsener gekleidet und schlaksig. Schwarze Haare standen nicht mehr ganz ordentlich um seinen Kopf. Er warf ihr einen Blick zu, gelangweilt, doch gleich darauf blitzte Schalk darin auf. Seine Augen waren von einem ungewöhnlichen Dunkelblau, ähnlich dem Nachthimmel. Sie sahen sich an, zwei junge Leute in einem lauten, vollen Saal und Ramis hatte das Gefühl, dass er sie als einziger verstand. Er schien ihre stummen Verzweiflungsschreie, die an sonst allen Menschen in diesem Saal abprallten, zu hören. Er konnte bestimmt die Verwirrung in ihren Augen lesen. Doch der Augenblick ging vorüber und er schlenderte weiter. Sie wollte hinterherrennen und ihm sagen, er solle sie von hier wegbringen, weit weg von diesem Lärm. Natürlich tat sie es nicht.
Die Leute nahmen Aufstellung und begannen einen komplizierten Tanz. Die Partner wechselten öfters, zu ihrer Erleichterung fing Sir Edward mit einer anderen Dame an und sie geriet an einen freundlichen, jungen Offizier, der sehr viel redete und sie deshalb nicht forderte. Zum Glück stellte er keine Fragen. Wie hätte sie auch über einen nicht vorhandenen Landsitz einer nicht vorhandenen Familie erzählen können. Nach ein paar Runden begann ihr das Herumschwingen sogar Spaß zu machen. Sie hatte nicht gewusst, dass sie tanzen konnte. Der junge Offizier schien sie sympathisch zu finden, denn er tauchte recht oft vor ihr auf.
Doch ihre Hochstimmung schwand schlagartig, al s sie Sir Edward vor sich sah.
„ Dieser Tanz gehört mir, kleine Semi!“, flüsterte er ihr zu. „Und vergiss nicht, wer dich heute hierher gebracht hat!“
Wie könnte ich das vergessen, dachte Ramis bitter. Die Musik wurde schneller, drängender und Sir Edward kam ihr für ihren Geschmack viel zu oft nahe. Sie war erleichtert, wann immer der Partner wechselte. Einmal, in einer Pause, kam eine aufgeputzte Frau in einem blauen Kleid vorbei, die Sir Edward ins Ohr rief:
„ Mylord, da seid Ihr ja endlich! Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen!“
Sie wollte sich bei ihm einhängen, aber er wimmelte sie ab und meinte gelangweilt:
„ Es tut mir leid, Lady Margaret, doch diesen Tanz habe ich bereits meiner Nichte versprochen. Sicher möchte Ihr verehrter Mann mit Ihnen tanzen.“
Damit zog er Ramis wieder in den Tanz. Sie sah, dass die Augen der Lady vor Wut funkelten. Ramis glaubte, ihren Namen schon einmal gehört zu haben. War es in Verbindung mit Sir Edwards außerehelichen Affären gewesen? Später, als Ramis dem Tanz entfliehen konnte, entdeckte sie Lady Margare t, die einer anderen zuraunte:
„ Ihr glaubt doch wohl selbst nicht, dass sie seine Nichte ist. Vielmehr ist sie sein Liebchen. Dabei hat er gesagt, er würde mich lieben.“
Mehr verstand sie nicht, aber das reichte. Ramis war entsetzt und verwirrt. Heute war der Tanz eher kurz, weil das Essen noch anstand. Allmählich begannen die Leute entweder zu gehen, oder wie die Begünstigteren, sich in einen anderen Raum zu Tische zu begeben. Sir Edward gehörte offensichtlich zu den letzteren. Sie entdeckte ihn beim König, wie er mit ihm plauderte. Bis sein Blick auf sie fiel. Er sagte etwas zum König und der Königin und kam auf sie zu.
„ Na, amüsierst du dich gut?“ , fragte er, obwohl er genau wusste, dass sie das nicht tat und sich sichtlich unwohl fühlte.
Er nahm ihren Arm und brachte sie, ständig anhaltend und Höflichkeiten oder Späße mit Vorbeikommenden, die er kannte, austauschend, zum Speisesaal. Ihnen gegenüber verhielt er sich so anders, zeigte sich als Gentlemen. Irgendwann erreichten sie den Tisch. Ramis war heiß, als hätte sie Fieber. Ihr entging völlig, wann William und Mary und der restliche
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