Dunkle Häfen - Band 1
keine Gelegenheit mehr, zur See zu fahren; nun, da er an der Schwelle zu einer noch größeren Macht stand, begrub er seinen Traum vom Gouverneursposten oder verschob ihn zumindest auf unbestimmte Zeit. Jetzt galt es erst einmal andere Pläne zu verwirklichen. Nach seinem Sturz vo r ein paar Jahren hatte sich St John vorrübergehend aufs Land zurückgezogen und Harley und James arbeiteten alleine für ihren Wiederaufstieg, der von den Tories abhing, einer total zerstrittenen Partei. Ein Ende des Krieges war noch immer nicht in Sicht, doch die Hoffnung darauf gab den Tories den Aufschwung, den sie für ihren Sieg brauchten. Pünktlich zum Wahlkampf war auch St John wieder aufgetaucht.
Nach ihrem Sieg begannen glanzvolle Zeiten für die drei, sie hatten nun vollen Rückhalt bei der Königin, die sowohl Marlborough als auch die Whigpartei hatte fallen lassen. Was Lord Fayford zu kritisieren hatte, waren allerdings weniger die politischen Tätigkeiten seines erfolgreichen Sohnes, sondern das, was der abends und nachts trieb. James ha tte nicht lange Interesse an St Johns Freunden gehabt, Schriftsteller und Abenteurer, und sich einen anderen Zeitvertreib gesucht, der ihn mehr befriedigte. Er pflegte Kontakt mit einem Adligen, dessen Ruf kaum hätte schlechter sein können. Man munkelte über obskure Veranstaltungen in seinem Haus, über Scheußlichkeiten, die hinter verschlossenen Türen stattfanden. James Verbindung zu diesem Mann missbilligte Lord Fayford am meisten, doch er konnte ihm nicht mehr ins Gewissen reden. Mehr denn je konnte man dem alten Herrn sein Alter ansehen, als er versuchte, James zur Rede zu stellen.
"Du richtest dich zugrunde, Sohn. Ich kann deinen Lebenswandel nur verabscheuen. Nein, nicht einmal Edward hat es so weit getrieben. Ich weiß nicht, was du bei diesem Mann tust und will es auch gar nicht wissen, aber wenn es ans Licht kommt, wird es einen gewaltigen Skandal geben. Das wäre das Ende der Fayfords, unsere Familie würde für immer ins gesellschaftliche und politische Abseits rücken. Warum kannst du dich nicht an einfachere Dinge halten? Heirate wieder, beende deine Kontakte zu diesem Freund und benimm dich wieder wie ein Gentleman."
James Frau war bei der Geburt ihres Kindes gestorben und das Kind mit ihr. James hatte sich noch nicht darum gekümmert, wieder zu heiraten. Er lächelte seinen Vater kühl an.
"Aber ich benehme mich wie ein Gentlemen. Das habt Ihr mir sehr gut beigebracht. Keine Sorge, man wird nie etwas anderes in mir sehen. Mein Freund , wie Ihr ihn nennt, wird nicht plaudern, ebenso wenig wie ich."
"Deine Mutter würde sterben vor Scham, wenn sie dich so sehen könnte. Sie sieht immer noch den stolzen Jungen in dir, den sie herangezogen hat. Was indessen deinen Vorwurf, ich hätte dir beigebracht, so zu sein, angeht, er trifft nicht ganz zu. Ich habe immer nur getötet, wenn es sein musste, nie war unter meiner Maske eine krankhafte Lust oder eine sinnlose Grausamkeit daran. Und täusche dich nicht, du siehst zwar blendend aus, doch wie viel Dunkelheit kann der Glanz noch verdecken? Ich spreche nicht von deinem Aussehen, doch auch das wird irgendwann darunter leiden."
Vielleicht sah der Lord hier ein, dass es keinen Sinn hatte. Müde wandte sich ab.
"Ich sehe schon, ich hätte dich nie so früh an den Hof bringen sollen", murmelte er. "Das kann einem ja nicht gut tun."
James hielt ihn an der Schulter fest und drehte ihn wieder zu sich herum.
"Vater, könnt Ihr nicht sehen, wie schal das alles hier ist? Welche Reize kann dieser Hof denn noch bieten, außer der Macht?"
"Kannst du denn nie genug kriegen, mein Sohn? Muss es immer mehr, immer eine Stufe weiter sein?"
"Das ist der Lauf der Dinge und früher hättet Ihr es verstanden. Ich könnte mich erst zufrieden geben, wenn ich alles hätte und selbst das wäre irgendwann nicht mehr genug."
Lord Fayford wandte sich ab.
"Fast muss ich dich fürchten, du, der du immer mein ganzer Stolz warst. Habe ich mit meinem Ehrgeiz diese Kreatur erschaffen, die alles verschlingen will? Nein, mein Gott, das ist kein Ruhepolster für einen alten Mann."
James hörte diese Worte seines Vaters nicht mehr, zwischen ihnen war schon zu viel Abstand.
"Hört sofort auf!"
Bestürzt rannte Ramis über das Deck. Der Junge, der kopfüber am Bugspriet hing, fiel vor Schreck fast ins Wasser. Der junge Mann neben ihm erwischte ihn gerade noch an den Füßen und zog ihn auf den sicheren Boden zurück.
"Ihr seid wohl verrückt
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