Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
Vom Netzwerk:
das Haarbüschel zu Boden fallen ließ.
    Das Erkennen war noch nicht ganz zu mir vorgedrungen, als sie zischte:
    "Du wagst es! Nach alldem wagst du es, deinen Fuß noch hierher zusetzen!"
    Die Stimme verursachte mir noch immer Kopfschmerzen und daran erkannte ich sie endgültig, denn sie war vom Verfall des Körpers ausgeschlossen geblieben.
    "Lady Harriet?" , brachte ich fassungslos hervor.
    Ich war zutiefst geschockt. Ihre Kleider waren wie üblich sündhaft teuer und konnten doch das Alter nicht verbergen. Der eigene Hochmut und der eigene Gram schienen sie ausgezehrt zu haben, so dass ihre Wangen eingefallen und ihre flackernden Augen in tiefe Höhlen eingesunken waren. Als hätte man sie gerade aus einem Grab geholt und ihr Leben eingehaucht, dachte ich schaudernd. Dabei war doch kaum mehr als ein Jahrzehnt vergangen, seit ich sie zuletzt gesehen hatte. War es wirklich erst zwölf Jahre her? Lady Harriet und mich trennten Jahrhunderte.
    "Das wirst du büßen!" , fauchte Lady Harriet.
    " Was macht Ihr hier?" Das war doch verrückt, sie hier anzutreffen.
    Statt einer Antwort humpelte sie auf mich zu, auf einen Stock gestützt. Ich wich hastig zurück.
    "Ich weiß, dass du eine Mörderin bist! Schon als ich dich das erste Mal sah, erkannte ich deine Verdorbenheit!" Ihre Worte versprühten Gift wie jeher, es war sogar noch galliger geworden, wenn das möglich war. "Du bist eine Hexe! Noch sind die Scheiterhaufen nicht erloschen und du wirst brennen! Es wird das letzte sein, was ich tue, aber es wird mir Frieden bringen!"
    Sie machte ein paar rasche Schritte auf mich zu, ihre zu einer Klaue gekrümmte Hand nach mir ausgestreckt.
    "Ihr irrt, Lady Harriet! Ihr könnt niemals Frieden finden!"
    Es war die Wahrheit und sie wusste es auch. Diesen einen Moment meines Triumphs, den ich genoss, nutzte sie sofort aus und erwischte mich am Ärmel.
    "Ich habe oft an dich gedacht ", krächzte sie nahe an meinem Ohr. "Während ich allein in meinem dunklen Zimmer saß. Denkst du, ich wusste nicht schon immer, wer du warst? Ich wusste es früher als alle anderen, aber mein Mann wollte nicht hören. Das hat er nie und nun ist er tot. Aber eine Frau kann in eine andere sehen und ich sah den Tod in deinem warmen Körper, ich roch dein verfluchtes Blut. Niemand hörte auf mich!"
    Sie schüttelte mich, dann fuhr ihre Kralle über meine Wange.
    "Wir waren uns ähnlich!" , kicherte sie plötzlich auf.
    Ich schaffte es, mich loszureißen und floh.
    "Du kannst nicht entkommen! Deine schwarze Seele wird in den Flammen brennen!"
    Ich stürmte durch den Mittelgang.
    "Das Alter und die Hölle warten auch auf dich! Mörderin!" , kreischte sie hinter mir her.
    Ich hielt mir die Ohren zu und stürzte durch die Tür nach draußen.
    "Verfluchte!"
     
    Es war nicht das einzige, was sie mir mitgegeben hat. Als ich mit rasendem Atem in meiner sicheren Kabine saß, entdeckte ich einen Brief, den sie mir heimlich zugesteckt haben muss. Sein Inhalt hat mich in einen schwarzen Abgrund gestürzt, obwohl er gar nichts mit mir zu tun hat. Aber er hat irgendein Gespinst in mir zerrissen, irgendeinen Glauben, den ich hatte. Und Lady Harriet wusste, wer ich war.
    Denkst du, ich wusste nicht schon immer, wer du warst?
    Sie nannte mein Blut verflucht, was mich zu den abscheulichsten Schlüssen verleiten muss. Die Begegnung mit Lady Harriet war mehr eine Begegnung mit mir selbst, als ich mir je hätte vorstellen können. Fast war mir, als habe sie dort in der Kirche auf mich gewartet…

Talamara
     
    James führte ein Leben in Sünde, wie ihm sein Vater klarzumachen suchte. Der alte Lord kränkelte vor sich hin und musste sich gezwungenermaßen aus der Politik verabschieden, aber vorher wollte er seinen Sohn von dem verheerenden Pfad abbringen, den dieser beschritt. Obwohl es in der Politik durchaus glänzend lief, stand James in den letzten Monaten ständig unter Strom und glich immer mehr selbst einem finsteren Dämon, der gierig nach allem griff, wie er in düstere Farben gekleidet durch die Gegend schritt. Tagsüber lebte er für die Politik, die sich nach einer Zeit der Misserfolge gut für ihn entwickelte. Als man 1708 Harley und St John aus ihren Ämtern entlassen hatte, war auch James an ihren Sturz gekoppelt, aber keiner wollte aufgeben.
    "Unsere Zeit wird kommen ", sagte Harley einmal zu James.
    Tatsächlich, mehrere Jahre voller Intrigen und brennendem Ehrgeiz brachten den Tories bei den Wahlen im Sommer 1710 den größten Sieg aller Zeiten. James hatte

Weitere Kostenlose Bücher