Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
Vom Netzwerk:
Dabei musste sie erneut an Madame vorbei. Diese lag nun reglos da, ihr Kopf war auf ihre Brust gesunken, die offenen Augen starr an der jungen Frau vorbei schauend.
    Madame war tot. Ramis gestattete sich auch dieses Mal nicht, sich von ihrer Aufgabe, die sie nun hatte, ablenken zu lassen. Nachher konnte sie das Geschehene überdenken. Falls sie es aus dem Haus schaffte... Die Treppe hinunter musste Lettice getragen werden. Ramis schwankte unter der Last und war ständig in Gefahr abzustürzen. Lettice war zu allem Übel auch noch größer und schwerer als sie. Unten war das Feuer noch nicht vollständig ausgebrochen, in einzelnen Zimmern musste jedoch schon die Dec ke eingestürzt sein. Auch so in der Küche: Als sie schnaufend dort ankam, war dort kein Durchkommen mehr. Brennende Balken versperrten den Weg. Ramis stolperte wieder los. Sie war nahe daran, zusammenzubrechen, aber sie musste weiter. Der verborgene Wille, der in Notsituationen zum Vorschein kam, hielt sie aufrecht und trieb sie voran. Außer in der Küche gab es in den unteren Geschossen nur noch im Salon ein Fenster. Ramis ahnte, dass er noch nicht leer war, aber entgegen ihrer Erwartung war niemand darin und er war auch nicht eingestürzt. Ramis musste Lettice erst über das Fensterbrett legen und dann selbst hinausklettern. Sie nahm ihre Kräfte wieder zusammen, um die Bewusstlose herunter zu hieven. Das Fenster lag glücklicherweise recht tief, was ihnen das Leben rettete. Lettice Arm baumelte vor ihren Augen, als sie auf das nächste Haus zuhielt. Unversehens fiel sie über etwas Weiches am Boden. Ramis Kopf schlug hart auf dem Straßenpflaster auf und ein paar Sekunden sah sie nur Sternchen.
    "Oh nein! Lettice!" , wisperte sie, als sich ihr Denken wieder geklärt hatte.
    Sie kroch zu Lettice. Sie lag mit dem Gesicht nach unten am Boden, ein Arm in einem merkwürdigen Winkel verdreht. Ramis putzte ihre schmutzigen, aufgeschürften Hände an ihrem Hemd ab und tastete nach Lettice Puls. Ein schwaches Klopfen antwortete ihren Bemühungen. Sie lebte! Ramis Stirn brannte wie verrückt an einer Stelle, wo sie eine große Platzwunde hatte. Über das Rauschen in ihren Ohren hinweg vernahm Ramis wieder Stimmen, was sie an die Tatsache erinnerte, dass sie noch nicht in Sicherheit waren. Ihre Arme zitterten vor Schwäche, trotzdem zwang sie sich, Lettice wieder hochzuheben. Als sie einen Blick zurückwarf, erkannte sie, über was sie gefallen war: Eine der Frauen, die die Männer vorhin vergewaltigt hatten. Ihr Kopf fehlte. Ramis konnte sich Schwäche nicht leisten. Sie schluckte mit aller Macht, um den Brechreiz zu überwinden und setzte ihre Flucht fort. Wegen der dicken Haarsträhnen, die ihr wirr ins Gesicht hingen, konnte sie kaum noch etwas sehen. Dauernd klebten sie ihr im Mund und sie schmeckte den Rauch und den Schmutz. Später konnte sich nicht mehr sagen, wie sie es fortgeschafft hatte, ohne entdeckt zu werden. Ihre eigene Vorsicht war es bestimmt nicht gewesen, sie hatte kaum auf ihre Umgebung geachtet. Aber auf irgendeine sonderbare Weise gelang es ihr.
    "Ramis..."
    Es war ein bloßer Hauch an ihrem Ohr, so schwach, dass es jeden Moment wieder ersterben konnte. Lettice war wieder bei Bewusstsein.
    "Lettice, wie geht es dir?" , murmelte Ramis gepresst unter ihrer Last.
    "Ramis..." Lettice hatte schreckliche Mühe zu sprechen.
    Als Ramis den Kopf zu ihr drehte, sah sie, dass der Freundin mehrere Zähne fehlten. Ein bebender Arm hob sich über Ramis Schulter.
    "Da drüben..."
    Ramis blickte in diese Richtung. Dort stand ein altes Gebäude wie ein Relikt aus einer Zeit, als Bristol noch ein Dorf war, daneben ein alter Schuppen, der einst als Scheune gedient haben musste.
    "Alte Scheune... sicher..."
    Die Pausen zwischen ihren Worten wurden immer länger und gleich darauf versank Lettice wieder in Bewusstlosigkeit. Ramis richtete sich mit einem Ziel vor Augen wieder auf und stapfte nach Luft ringend auf den Schuppen zu. Das Schloss am Tor war verrostet und leicht zu entfernen. Drinnen war es stockdunkel. Der Mond und die Sterne über dem Loch im Dach waren wolkenverhangen und ein fernes Grollen sagte Ramis, dass ein Gewitter aufzog. Man konnte kaum seine eigene Hand vor Augen sehen. Vorsichtig ließ Ramis ihre Fracht auf den Boden nieder. Sie beugte sich über Lettice Mund, versuchte ihrem Atem zu spüren. Ein leichter Hauch streichelte sacht ihre Wange, in unregelmäßigen Abständen. Weiter konnte sie nichts tun. Nach Verletzungen zu tasten, würde

Weitere Kostenlose Bücher