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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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und Liam blieb. Sie stahl ein kleines Messer aus der Küche und trug es stets bei sich, denn auch in ihrer Begleitung war Edward nicht sicher. Eines Abends bekam der Junge dann einen Riesenkrach mit seiner Mutter und Madame, weil er einen Kunden bespuckt hatte.
    Der Mann hatte zu ihm gesagt:
    "Na Bürschchen, bist du nicht ein bisschen zu jung, um dich hier rumzutreiben?"
    Ramis wusste weder ein noch aus. Sie versuchte, im Guten mit ihm zu reden, aber es half nichts.
    "Ich hasse sie alle!" , schrie der Junge nur. "Soll der Teufel sie holen, diesen Hurendreck!"
    Ramis schüttelte ihn wütend.
    "Jetzt hör endlich auf! Du hörst sofort damit auf, alle zu beleidigen! Sie werden dich irgendwann umbringen!"
    Nach einigen weiteren Machtworten nahm er sich ein wenig zusammen, wodurch sie alle den nächsten Sommer noch erlebten. Ramis stellte wieder fest, dass ein weiteres Jahr herum war, als sie den kalten Winter mit seinem Schneematsch und seinen düsteren Tagen, an denen es so früh dunkelte, überstanden hatten. Weihnachten und Neujahr gingen im Goldenen Drachen beinahe unbemerkt vorüber. Die Frauen gingen an Weihnachten in den Gottesdienst, ein merkwürdiges Festhalten an der Tradition. Ramis gefiel es in der Kirche so gut, dass sie von nun an öfters in der ehrfürchtigen Stille unter den hohen Gewölben Zuflucht vor der Welt suchte. Sie mochte die Besinnlichkeit in dem Halbdunkel, die in Gebete versunkenen Menschen, die hier außerhalb des Gottesdienstes weilten. Der unverwechselbare Geruch des Hauses Gottes tröstete sie immer ein wenig. Der Pfarrer gewöhnte sich allmählich an den Anblick der seltsamen Gestalt, die beinahe jeden Tag ein halbe Stunde hier verweilte. Er stellte fest, dass ihr nicht zum Reden zumute war und was auch immer sie bedrückte, sie sprach es nicht aus. Es war das Beste, sie einfach nicht zu beachten. Ramis jedenfalls benötigte diese Zeit, um sich selbst ein bisschen näher zu kommen.
     
    Der Frühling löste den Winter ab und bescherte den Frauen aus dem Goldenen Drachen einen wahren Kundenreichtum, deren Gefühle und Triebe ebenso wie die Natur aufblühten. Ramis verwirklichte einen lange gehegten Wunsch und wanderte an einem Tag, den sie sich freigenommen hatte, mit Edward zum Meer. Sie folgten dem Fluss Avon, der Bristol durchfloss, nach Westen und kamen schließlich an seine Mündung ins Meer. Überwältigt und stumm standen sie dann am Strand und lauschten dem Rauschen der Wellen. Sie staunten über diese unvorstellbaren Mengen an Wasser und suchten am Strand nach Treibgut. Sie wateten knietief ins Wasser und lachten, wenn die Wellen sie klatschnass machten. Sie bewarfen sich mit Sand. Ramis fand eine wunderschöne Muschel, die sie Edward schenkte. Später packten sie ihre mitgebrachten Brote aus und ließen es sich schmecken, als wäre es eine Festmahlzeit und nicht bloß hartes Brot. Edward steckte Ramis eine weiße Feder ins Haar.
    "Du bist eine Möwe, die zu dick zum Fliegen ist!" , sagte er zu ihr.
    "Ich kann fliegen!" , rief Ramis überschwänglich und rannte den Strand entlang. "Siehst du nicht, wie ich in den Himmel steige?"
    "Nein . Dazu müsstest du Flügel haben", beharrte er.
    Ramis lachte und hatte das Gefühl zu schweben. Als sie sich auf den Heimweg machen mussten, zogen Gewitterwolken auf und kurz darauf wurden sie von Regengüssen durchweicht. Es trübte ihre Stimmung trotzdem nicht und Ramis genoss den Regen sogar. In Bristol angekommen, waren sie sich einig, dass dieser wunderschöne Tag Nahrung für viele weitere Tage geben würde und dass sie die Erinnerung daran wärmen konnte, wenn es nichts mehr zu lachen gab. Schließlich ging der Frühling so nahtlos in den Sommer über, dass Ramis es vor lauter Arbeit gar nicht bemerkte. Auf einmal war die Luft heiß und die Sonne brannte herunter. Da es in Ramis Leben sonst nicht viel Gelegenheit zum Lachen gab, hatte sie nun das Gefühl, es gerade erst zu lernen.

Feuertod
     
    Auf diese Weise vergingen weitere Jahre und sie lebte nun drei Jahre in Bristol. Das alte Jahrhundert war zu Ende gegangen und auch die Welt um Ramis herum war im Begriff, sich zu verändern. Ein neues Denken machte sich ganz langsam in den Köpfen der Menschen breit. Es war das Jahr 1701 und die voraussehenden Leute ahnten, dass in diesem Jahrhundert viel Neues geschehen musste. Es lag wieder Krieg in der Luft, erneut wurde der Unmut Frankreich gegenüber stärker. Im September sollte James II sterben, doch das berührte die Politik nur noch am

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