Dunkle Häfen - Band 2
Schulter.
"Es wäre allerdings etwas, dass Ihr tun müsstet...."
Noch am selben Tag machte ich mich leicht verzagt auf den Weg zu den Tuilerien. Ich hatte mich hübsch gemacht. Spöttisch dachte ich, dass ich auftrat wie eine der großen Liebenden, die tapfer auszieht, um einen letzten Versuch zu unternehmen, ihren zum Tode verurteilten Geliebten zu retten, selbst wenn sie dafür ihr Leben oder ihre Ehre opfern müsste. Trotz des Ernstes der Angelegenheit musste ich bei dieser Vorstellung glucksen. Den tragischen Geliebten gab es nicht und Guillaume war auch nicht zum Tode verurteilt. Ja, und Louis bedrohte weder mein Leben noch meine Ehre. Zumindest hoffte ich das. Louis, der König. Guillaume war der festen Meinung, ich könne etwas ausrichten, wenn ich ihn aufsuchte. Weil er mich so mochte. Ich dagegen war nur wegen der leidenschaftlichen Äußerungen des Jungen auf unserem Fest bereit, es zu versuchen. Doch auch so erwartete ich lieber nicht allzu viel. Im Allgemeinen sieht man es nicht so gerne, wenn Frauen sich in Männer angelegenheiten mischen. Aber Louis war der einzige, der uns jetzt noch helfen konnte. Ich meldete mich im Palast an und teilte mit, dass ich eine Audienz beim König habe. Zum Glück ließ dieser mich sofort rufen. Er war allein, als ich seine Räume betrat. Seine Augen blitzten auf, als er mich entdeckte. Hoffnungsvoll, so meine ich. Er beugte sich über meine dargebotene Hand und küsste sie ausgiebig, bis ich sie ihm vorsichtig entzog.
"Was für eine Freude!" , begrüßte er mich.
Er wirkte leicht verwirrt, weil ich heute auf die weiblichen Reize gesetzt hatte, die manchmal überzeugender sind als eine kluge Argumentation. Der großzügige Ausschnitt und das enge Mieder machten mich selbst nervös, vor allem, da er mich so durcheinander anstarrte. Ich hätte mich nie zu solch schändlichem Verhalten hergegeben, wenn nicht nur unsere Existenz, sondern auch das Erbe meiner Tochter auf dem Spiel gestanden hätte. Dennoch kam ich mir verdorben vor, wie ich einen kaum elfjährigen Jungen so bedrängte. Er war gewiss noch nie bei einer Frau gelegen und es war vielleicht das erste Mal, dass er schwärmerische Gefühle hegte und das weibliche Geschlecht mit neuen Augen sah. Ich schämte mich. Die Röte seiner Wangen verriet ihn. Seine schüchterne Verlegenheit war überhaupt kein Vergleich zu der Art des Lords, die Frauen anzusehen. Dessen Augen ergriffen Besitz von allem, was sie wollten und er nahm sich, was er wollte.
"Ich bin gekommen, um mit Euch sprechen zu können."
Was ja im Grunde genommen offensichtlich war.
"Wirklich?"
"Ja."
Als wir in Schweigen verfielen, besann er sich auf seine Manieren und bot mir einen Platz auf einem der Sofas an. Vertraulich setzte er sich neben mich. Zuerst unterhielten wir uns über allgemeine Themen, wie es die Höflichkeit verlangt - ich finde das immer sehr nervtötend. Als hätte man nichts Besseres zu tun. Sobald man erschöpfend darüber geredet und ein Diener Erfrischungen gebracht hatte, erkundigte Louis sich arglos:
"Und was führt Euch nun hierher, Madame? Ihr seid sicher nicht gekommen, um nur ein paar Worte aus zu tauschen."
Er bewies eine scharfe Beobachtungsgabe, indem er das erkannte.
"Ihr habt recht, Sire. Tatsächlich habe ich eine sehr wichtige Bitte an Euch."
Ich hielt inne und musste gar nicht betreten tun, denn ich war es.
"Ihr wisst, Ihr könnt Euch immer an mich wenden? Sprecht nur, Verehrteste."
Es fing ziemlich gut an.
"Mein Mann und ich haben in letzter Zeit sehr große Sorgen. Majestät, ich würde mich nicht an Euch wenden, wenn es nicht so aussichtslos für uns wäre. Uns wurde mitgeteilt, dass Ihr... dass die Krone uns alle Güter und Besitztümer entziehen will."
Meine Stimme zitterte leicht, hier übertrieb ich ein bisschen, muss ich zugeben. Louis hob die königlichen Augenbrauen.
"Davon ist mir nichts zu Ohren gekommen, Madame. Wer ist denn dafür verantwortlich?"
"Der Regent höchstpersönlich, Sire."
Er zupfte an seiner Perücke, ließ es aber sofort bleiben, als ihm diese Unart bewusst wurde.
"Der Reg ent ist noch immer mein Vormund", meinte er nachdenklich und schob ein Kissen, das zwischen uns ruhte, auf den Boden.
"Könnt Ihr mir nicht helfen?"
"Ich weiß nicht, Madame de Sourges. Ich bin noch lange nicht volljährig."
"Aber Ihr seid trotzdem kein kleines Kind mehr. Und Ihr seid der König."
Er freute sich über diese Aussage.
"Mal sehen, was sich tun lässt ", lenkte er vorsichtig
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