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Dunkle Häfen - Band 2

Dunkle Häfen - Band 2

Titel: Dunkle Häfen - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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Vorstellung erwehren, dass Fayford mich so sehen könnte. Die ganze Nacht und den ganzen Tag h atte ich über ihn nachgegrübelt. Auf einmal hatte ich sehr eilig, mich wieder anzuziehen. Kaum ein paar Minuten klopfte Henriette an die Tür.
    "Madame, seid Ihr da drin?" , rief sie.
    Ich öffnete ihr, um eine normale Miene bemüht. Sie stellte das Tablett mit dem Tee für mich auf einem Tisch ab.
    "Herrin, wie seht Ihr denn aus?"
    Sie fragte höflicherweise nicht, was ich getan hatte, sondern machte sich daran, die Unordnung, die ich in meine Haare und meine Kleider gebracht hatte, zu beseitigen. Es war bewundernswert, welche Gleichmütigkeit Zofen im Umgang mit ihren Herrinnen an den Tag legen konnten. Bemerkte Henriette den vergessenen Seidenstrumpf, der neben dem Spiegel ruhte, einfach nicht, oder ging sie diskret darüber hinweg? Ich weiß es nicht, nur, dass sie sich gar nichts anmerken ließ, wie sie es immer tat. Als ich sie bei unserer ersten stürmischen Begegnung aus dem Zimmer gestoßen hatte, war mir nicht bewusst gewesen, was für ein Goldstück ich da herauswarf. Mit ihrer Geschicklichkeit in Sachen Kosmetik und Geschmack hat sie mich oft genug in Erstaunen versetzt. Für heute ließ sie es jedoch mit einer einfachen Frisur gut sein, sie zwängte lediglich einen Teil der Haare in eine Spange, damit sie mir nicht ins Gesicht fielen. Als ich Henriette anschließend versichert hatte, nichts mehr zu brauchen, ging sie.
    Ansonsten ist heute nichts mehr passiert. Bevor meine Tinte völlig ausgeht - ich bin im Moment sogar zu faul, aufzustehen und nach jemandem zu klingeln, der mir neue bringt - will ich noch eine Sache niederschreiben, die mir sehr am Herzen liegt. Wer sagt, die Vergangenheit sei vorbei und deshalb für die Gegenwart nicht mehr wichtig, der irrt sich ganz gewaltig. Sie lehrt uns sehr viel, wenn wir nur auf sie eingehen und gibt die Möglichkeit, es in Zukunft besser zu machen. Sie hat uns geformt. Auch wenn viele sie nostalgisch oder als unsterbliches Ruhmesblatt ein paar weniger verstehen, so ist sie doch mehr. Auch wenn wir ständig darüber nachgrübeln, was passiert wäre, wenn... Ich bin ebenfalls nicht davor gefeit. Nein, ganz bestimmt nicht. Ich denke oft darüber nach, wie alles hätte anders kommen können, wenn ich damals anders gehandelt hätte. Es gibt kaum Sinnloseres, mag man denken, aber selbst das erfüllt seinen Zweck. Vielleicht werde ich eines Tages wieder vor einer ähnlichen Situation stehen und es besser machen können. Andererseits bin ich oft unglaublich froh, dass manches Vergangenheit ist. Sir Edward zum Beispiel. Was wäre gewesen, wenn ich mich vor so vielen Jahren nicht gewaltsam aus seinen Fängen befreit hätte? Wäre ich noch immer sein, inzwischen unfähig, aus dem Gefängnis auszubrechen? Vermutlich hätte auch meine Widerstandskraft eines Tages einfach aufgehört zu existieren und ich hätte mich in die Finsternis ergeben, die die Welt eines misshandelten Kindes vergiftet. Wenn ich mich vorher nicht endgültig aus dem Fenster gestürzt hätte. So wie Fayfords Frau, wie man munkelt. Dazu gehört schon eine schwarze Verzweiflung. Um solch einen schrecklichen Schritt zu tun, meine ich.
    Auch nach mehr als zwanzig Jahren bin ich unfähig, mich davon zu distanzieren und es aus der Sicht von einem zu betrachten, der darüber hinweg ist. Irgendwie habe ich zwar gelernt, damit zu leben, doch niemals wird es mir möglich sein, das Glück länger als für eine kurze Zeit zu halten. Ich bin reich geworden in den letzten Jahren und habe doch so viel verloren. Meine Vergangenheit rennt mir mit großen Schritten hinterher. Sobald ich Fayford auch nur ansehe, werde ich erinnert. Ich hasse ihn wegen dem, was ich ihm angetan habe, weil ich mich an ihm schuldig gemacht habe und wegen dem, was darauf gefolgt ist. Und dann muss ich auch mich hassen. Der Teufel hat unzählige Gesichter und häufig erkennen wir ihn nicht. Unter anderem auch, weil ein Teil von ihm in uns wohnt.
     
     
    Anfang September 1720, Paris
    Mein Mann war in ernsthafte Schwierigkeiten geraten und ich hatte beschlossen, ihm zu helfen. Soweit, so gut, ich wollte wiedergutmachen, was er für mich getan hatte. Rausgekommen ist dabei noch viel mehr als erwartet. Es war elf Uhr vormittags, als Guillaume mit sorgenvoll gefurchter Stirn zu mir kam.
    "Es ist aus, Anne. Wir werden alles verlieren!" , überschüttete er mich mit kaltem Wasser.
    Ich war verständlicherweise ziemlich vor den Kopf gestoßen.
    "He, was ist

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