Dunkle Häfen - Band 2
ein.
Verzweifelt fasste ich seine Hände und rückte näher zu ihm. Er blähte die Nasenflügel und starrte mich gebannt an.
"Sire, Ihr müsst mir helfen! Davon hängt alles für mich ab! Ich will nicht mit Mann und Tochter auf der Straße landen! Es wäre unser Todesurteil!"
Mein Appell zeigte seine Wirkung. Louis schob mir den Schleier aus dem Gesicht. Heute hatte ich auf die Narben verzichtet und einen der dichteren Stoffe gewählt.
"Eure Haut ist wie Seide ", schmeichelte er.
Ich glaubte ihm nicht so recht, hielt mich aber nicht weiter damit auf. Stattdessen lächelte ich so unsicher wie ich mich angesichts dessen, was auf der Kippe stand, fühlte.
"Ich werde alles tun, um Euch zu helfen!" , sprach er schließlich feierlich.
"Danke Sire, ich..."
Er unterbrach verlegen meine überschwänglichen Dankesworte.
"Ihr müsst Euch nicht bedanken. Ich sagte Euch bereits, was i ch für Euch tun würde. Gebt mir", er wurde wieder rot, "nur einen Kuss, Madame... Das ist das Einzige, was ich von Euch dafür will..."
Dieses Mal zögerte ich. Es erschien mir so falsch . Ich hätte fast seine Großmutter sein können, wie man so schön sagt. Doch ich würde so kurz vor dem Ziel nicht alles aufs Spiel setzen. Entschlossen beugte ich mich vor und berührte flüchtig seine Lippen. Als der Junge, der er noch war, begnügte er sich vollkommen damit und verlangte nicht mehr. Zufrieden entließ er mich. Ich kam mir schmutzig vor, wie eine alte Frau, die kleine Jungen verführt.
Ob Louis etwas ausrichten kann?
Im Bann der Macht
Zwei Tage später kam der Brief vom Hof, dass die Anklage fallen gelassen würde. Unterzeichnet war das Dokument vom König und dem Herzog d'Orléans. Der Herzog de Sourges stierte auf das Dokument und konnte es kaum glauben. Dann lachte er auf und suchte nach seiner Frau. Was für ein Weib! Der Regent musste schon viel früher erkannt haben, was ihm verborgen geblieben war: Dass die Herzogin klammheimlich denjenigen auf ihre Seite gezogen hatte, der in ein paar Jahren die meiste Macht haben würde: Den noch unmündigen König Louis. Irgendwie hatte sie ihn in ihre behandschuhte Hand gebracht, so wie sie den Marquis und ihren Mann an sich gebunden hatte. Was hatte diese Frau an sich, das einen so zu ihr hinzog? Das konnte er nicht sagen, dafür allerdings, dass es in Zukunft gefährlich für sie werden würde. Hatte diese Attacke am Ende sogar ihr gegolten und nicht direkt ihm? Vielleicht hatte der Regent versucht, die Herzogin unschädlich zu machen, bevor sie zu unverletzlich geworden war. Es war schon zu spät gewesen, die ungeliebte Fremde, die er einst nur für seine Zwecke einzusetzen gedacht hatte, hatte am französischen Hof bereits zu viel Gewicht bekommen.
Tagebuch
September 1720, Paris
Als Guillaume zu mir kam und mir die Nachricht überbrachte, dass wir gar nicht erst angeklagt würden, befiel mich ein eigenartiges Hochgefühl. Ich war zum Platzen stolz auf mein Werk. Der König hatte es nur für mich getan. Nun sehe ich, dass der Regent keine Macht mehr über mich hat. Mit einer läppischen Anklage wegen versuchten Diebstahls könnte er mich nie zu Fall bringen. Ich bin frei. Wenn ich damit nicht noch mehr zerstören würde, hätte ich wohl gehen können. Doch ich fühle jetzt auch die Verlockung der Macht. Noch nie habe ich derart viel Macht besessen, denn ich habe Einfluss auf einen König. Es ist wie eine Droge, berauschend und süchtig machend nach mehr. Ich erahne, warum so viele sie um jeden Preis wollen.
Das nächste Fest besuchte ich mit hocherhobenem Haupt und einem silberschwarzen Gewand, das an Pracht kaum zu übertreffen war. Die Leute starrten mich an und flüsterten. Ob sie es schon gehört hatten? Oder war der Regent auf Geheimhaltung bedacht gewesen? Auch er beobachtete mich finster, vor allem, als der König sich zu mir gesellte und den ganzen Abend mit mir sprach. Ich entdeckte den Marquis, der ebenfalls missmutig zu uns herüberschaute. Wir hatten schon länger nicht mehr miteinander geredet, fiel mir auf. Eigentlich schon nicht mehr seit er von der Hochzeit seiner Schwester zurückgekommen war. In der letzten Zeit hatte ich kaum eine freie Minute, dauernd gab es etwas zu tun oder etwas zu bedenken. Auch die Comtesse war heute da. Sie hatte nichts Besseres zu tun, als aufzupassen, ob andere Fehler machten, weil Fayford nicht in Paris war. Ich flüsterte Louis zu, dass wir am besten nicht allzu viel Anlass zu bösen Gerüchten geben
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