Dunkle Häfen - Band 2
Unrat. Ramis klopfte an die klobige Tür, die in mächtigen Angeln hing - sicher der Grund, weshalb sie auch heute noch solide war. Niemand öffnete jedoch. Antoinette drückte die Klinke herunter und die Tür bewegte sich auf kräftiges Schieben hin nach innen. Drinnen roch es muffig, doch es lag auch ein deutlicher Hauch von Parfümgemisch in der Luft. Eine Wachskerze leuchtete auf dem Tisch, weil der Raum fensterlos war. Hier in dieser Gegend hätte sich eigentlich keiner Wachs leisten können. Der Schein reichte nicht weit, doch es schien niemand im Raum zu sein.
"Wo sind sie?" , wisperte Ramis.
"Auf dem Dachboden..."
Antoinette führte Ramis zu einer schmalen Treppe mit schiefen Stufen, die in den ersten Stock führte. Ramis erschrak heftig, als sie ein Geräusch hörte. Ein Schniefen. Dort neben der Treppe hockte ein altes Weiblein in einem Schaukelstuhl. Graues Haar hing ihr wirr ins Gesicht und ihr zahnloser Mund mümmelte und bewegte sich pausenlos wie zu einem Gebet. Den Blick hielt sie auf den Knoten aus Wollfäden gerichtet, den ihre krummen Finger emsig bearbeiteten. Ihre Kleidung war schäbig, aber sauber. Jemand musste sich um sie kümmern, denn ihr Geist war sichtbar verkümmert und sie hätte nie selbst für sich sorgen können. Sie beachtete die Besucher nicht im Geringsten. Viele alte Leute waren so, dachte Ramis schaudernd. Die beiden jüngeren Frauen huschten an der Alten vorbei nach oben.
Am Ende der Treppe war eine Tür. Unter dem Türspalt quoll Licht hervor und man hörte das Klirren von Waffen. Ramis riss die Tür auf. Die Aufmerksamkeit der Eintretenden richtete sich unweigerlich auf die Duellanten, die sich tänzelnd umkreisten. An den Wänden des großen Raumes standen Grüppchen von Zuschauern, deren Blicke zur Tür wanderten, als die Neuankömmlinge hereingestürmt kamen. Es waren vor allem Adlige, die hierhergekommen waren. Unter ihnen war die Comtesse in einem aufsehenerregenden Kleid, das aus enganliegender roter Seide war. Die Kämpfenden ließen sich indessen nicht stören. Gleich Tänzern flogen sie über den Boden hinweg, wirbelten und wichen aus. Ramis fiel auf, dass der Boden neu gemacht worden war, er bestand aus gutem Holz, das nicht älter als ein Jahr sein konnte. Jemand hatte sich den Dachboden wohl als Ort für geheime Zusammenkünfte gestaltet, weit weg vom unmittelbaren Kontrollbereich des Hofes. Es war anzunehmen, dass man den Marquis nicht entkommen lassen wollte, da er jetzt zu viel wusste. Die meisten tippten ohnehin auf einen Sieg des Lords. Zwar waren beide außergewöhnliche Fechter, aber Fayford war noch besser. Seine Bewegungen waren von einer anmaßenden Sicherheit, er erweckte den Eindruck, als habe er den Kampf unter Kontrolle. In den Jahren war er noch gefährlicher geworden, wenn das möglich war. Die Degen tanzten ihren eigenen rasenden Tanz und blitzten im Licht der vielen Lampen, die an den Wänden hingen. Das Keuchen, der Geruch nach Schweiß und Aufregung versetzten Ramis in eine Zeit zurück, als sie selbst noch gekämpft hatte. Schon lange hatte sie keinen Degen mehr in der Hand gewiegt.
Als sie den kleinen Fehler des Marquis bemerkte, rannte sie los. Durch diesen Patzer, selbst wenn er noch so klein war, konnte er den Angriff Fayfords nicht mehr rechtzeitig abfangen. Geistesgegenwärtig rollte er sich nach hinten ab und entging damit dem Degen. Seine eigene Waffe war allerdings verloren, sie lag ein Stück entfernt auf dem Boden. Ramis witterte eine Gelegenheit und hob sie auf. Der Lord setzte dem Marquis nach, der inzwischen wieder auf den Beinen war, sich aber verhängnisvoll an die Wand gedrängt sah. Ramis war mit einigen beachtlichen Sprüngen heran und brachte den Degen zwischen die beiden Männer. Die in einem ungünstigen Winkel heranschießende Degenklinge wurde durch das Hindernis aus der Bahn gebracht und hätte fast Ramis getroffen, bevor sie langsam gesenkt wurde.
"Haltet ein!" , rief Ramis ein wenig zu spät.
Fayford trat einen Schritt zurück und musterte sie scharf. Ihm entging n icht, dass der Griff der Waffe in ihrer Hand lag, als hätte sie Erfahrung damit. Zufall oder nicht?
"Was mischt Ihr Euch ein?" , fuhr er sie an.
Ramis lachte böse.
"Ihr tut etwas Ungesetzliches, falls es Euch nicht bewusst geworden ist - deswegen kann jeder einschreiten. Und ich werde nicht zulassen, dass man meinem Freu nd etwas zuleide tut."
"Kann Eu er... kleiner Freund nicht auf sich selbst aufpassen? Ich kann es jedenfalls."
Der Hohn traf
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