Dunkle Häfen - Band 2
interessiert kannte, verfallen? Man erinnerte sich also an Madame de Montespan, der berüchtigten Mätresse Louis XIV, die man ebenfalls verdächtigt hatte, ihrem Liebhaber Mittelchen eingeflößt und eine seiner Favoritinnen vergiftet zu haben, um nicht in Ungnade zu fallen. Es hatte einen Prozess gegeben, welcher der Montespan allenfalls im Ruf geschadet hatte. Ramis für ihren Teil beachtete das Geschwätz einfach nicht, sie befand sich auf einem Höhenflug und nichts und niemand konnte sie verletzen. In diesen Tagen war sie der glänzende Mittelpunkt des allgemeinen Interesses. Sie erkundigte sich bei ihrem Mann über die Politik und das Hofleben und war so mit ihren neuen Aufgaben beschäftigt, dass keiner ihrer Freunde noch an sie herankam. Selbst Charlotte fühlte sich im Stich gelassen und zeigte sich beleidigt. Guillaume fürchtete indessen, dass Ramis außer jeglicher Kontrolle geriet, hoch auf ihrer Wolke konnte sie niemand mehr erreichen. Und wenn sie fiel, würde sie aus dieser Höhe auch keiner auffangen können. Ihm gefiel das gierige Glitzern in ihren Augen nicht, wenn sie etwas ersann, was sie durchsetzen wollte oder wenn sie mit gönnerhafter Miene die Leute anhörte, die ihr neuerdings folgten. Sie nannte sie ihre 'Bittsteller' und lachte dann darüber, mit einer Spur von schadenfrohem Hohn.
Dass es trotzdem welche gab, die sich ihrem Einfluss entzogen, störte sie. Da war zum einen natürlich der Regent, der nicht unbeträchtliche Macht über den minderjährigen König hatte und ihr nur zu oft dazwischen pfuschte. Er war zwar unbeliebt und viele missbilligten die Art, wie er die Regentschaft an sich gerissen hatte, doch er hatte auch seinen Rückhalt und mit seinem edlen Geblüt durchaus einen erblichen Anspruch auf dieses Amt.
Mit ihm verbunden war Lord Fayford, der von dem Wunsch des Regenten profitierte, sich mit England gut zu stellen. Er war ihr der größte Dorn im Auge, doch sie konnte ihn nicht entfernen und so musste sie fürchten, dass die Wunde zu eitern anfing. Es verging kaum ein Tag am Hof, an dem sie nicht zusammenstießen. Seine Ansichten trieben sie wie seit jeher zur Weißglut und sie war sich sicher, dass er sie mit jedem Atemzug verspottete. Wie kam es sonst, dass er ständig abwertende Bemerkungen über sie machte? Wie kam es sonst, dass er sie auf dem Gang aufhielt und ihr verführerisch ins Ohr raunte:
"Und wie schmeckt die Macht, Königin von Frankreich? Ist sie nicht viel aufregender als Eure wohlgehütete Tugend?"
Sie begegneten sich für ihren Geschmack viel zu oft und es endete jedes Mal in einer Auseinandersetzung, bei der jeder den anderen zu verletzen suchte. Wie an jenem kleinen Fest im Salon eines reichen Adligen, als man den schaudernden Gästen kleinwüchsige siamesische Zwillinge zeigte, die mit einer ganzen Körperseite zusammengewachsen und eine einzigartige Kuriosität waren, wie die hübsche Gastgeberin - eine junge Vicomtesse - versicherte. Alle begafften diese beiden Menschen und eine Frau wollte hinter vorgehaltener Hand wissen, ob die beiden denn... na ja, ob sie wenn sie... ob sie es denn zu zweit tun müssten? Daraufhin erklärte Ramis laut und deutlich in das folgende Gelächter, das sofort erstarb:
"Und wie steht es mit Euch, Madame? Braucht es zwei Diener, um Euch in die Kutsche zu heben? An Eurer Stelle solltet Ihr Euch überlegen, ob Ihr es nicht besser lassen solltet, über andere Menschen zu spotten..."
Stille antwortete ihr, einige kicherten unsicher. Aber Ramis blieb keinen Augenblick länger in diesem Haus. Die anderen starrten ihr bestürzt nach, als sie ohne Abschied hinaus rauschte. Der Abend war damit ins Wasser gefallen. Und alles nur wegen diesem Emporkömmling, von dem neuerdings so viel abhing. So dachte mancher hier und am Hofe und war die Launen der Herzogin leid.
Als Ramis nach ihrem Kutscher rief, der sie natürlich nicht so verfrüht erwartet hatte, stieß sie auf Lord Fayford, der gerade eben ausgestiegen war. Voller Missgunst, dass er es wagte, sie zu aufzuhalten, blickte sie ihm entgegen. Sie wollte nach Hause. Seine Zähne blitzten im Licht der Laternen, während er auf sie zukam, um sie zu begrüßen.
"Madame de Sourges! Welche Überraschung. Ihr geht schon wieder? Hat Euch die seltene Kuriosität da drinnen nicht gefallen?" Er machte eine spöttische Geste zum Haus.
"Ich pflege Lebewesen nicht als Kuriositäten zu bezeichnen. Oder würdet Ihr zum Beispiel einen außergewöhnlich schönen Menschen als
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