Dunkle Häfen - Band 2
von ihrer Intensität verloren. Eine Weile rührte sich keiner von ihnen, Fayford, weil er das erst einmal verdauen musste und Ramis, weil sie so angespannt wartete.
Kein Tag, an dem er nicht an sie gedacht hatte. Und während er geglaubt hatte, sie sei tot, hatte sie sich die ganze Zeit über hier amüsiert! Das Schlimmste aber war, sie hatte immer gewusst, wer er war und ihn dazu gebracht, sie zu lieben . Warum hatte er es nicht von Anfang an gemerkt?
"Ramis!" , stieß er hervor. "Die Hexe! Habt Ihr wirklich geglaubt, mich so einwickeln zu können, dass ich die Vergangenheit vergesse? Ihr solltet tot sein! Die Haie hätten Euer Fleisch längst aus Eurer Leiche herausgerissen haben sollen!"
Sie taumelte unter seinen brutalen Worten zurück.
"Ihr habt gelogen!" , flüsterte sie. "Ihr habt mich niemals geliebt!"
"Ganz recht!" zischte er. " Euch lieben? Das wäre Wahnsinn. Am besten wäre es, sie würden Euren elenden Körper auf dem Scheiterhaufen verbrennen! Feuer reinigt alles Übel, sagt man. Doch ich denke, der Galgen wird es auch tun. Dieses Mal überzeuge ich mich persönlich, dass kein Funken Leben mehr in Euch ist. Und das mit Freude!"
Er riss die Tür auf und knallte sie hinter sich wieder zu. Ramis rannte ihm hinterher.
"Nein!" , schrie sie. "Verräter! Lügner! Was ist mit der Herzogin, die Ihr so umworben habt? Sie ist dieselbe wie ich!"
Er blieb stehen und warf ihr einen so vernichtenden Blick zu, dass sie zurückwich.
"Die andere, die ich glaubte zu lieben, ist tot! Sie hat es nie gegeben... Alles war eine Lüge. Dafür und für alles andere müsst Ihr sterben!"
"Ihr Teufel!" , keuchte sie. "Denkt Ihr, ich habe das freiwillig getan? Ich hasse Euch! Zur Hölle mit Euch!"
Er schenkte ihr schon keine Aufmerksamkeit mehr. Ramis kehrte in ihr Zimmer zurück. Es war aus. Er hatte soeben ihr Todesurteil besiegelt.
Der Mord und der Prozess gegen die Herzogin waren natürlich Gesprächsthema Nummer eins am Hof und in ganz Paris. Nicht wenige freuten sich über den Sturz der hochmütigen Herzogin. Im Laufe des Tages hatte man sie festgenommen. Wilde Gerüchte kursierten. War der Marquis ihr Komplize oder war am Ende sogar der junge König in den Fall verwickelt, um sie in ein paar Jahren heiraten zu können? Für die meisten stand jedoch fest, dass der Herzog de Sourges seiner Frau im Wege gestanden hatte. Ihr Urteil schien bereits gefällt. Es war allerdings nicht sicher, ob sich der König oder der Regent persönlich des Falls annehmen würde. Der junge Louis raste vor Wut und Enttäuschung, doch letztendlich wäre es nicht unmöglich gewesen, ihn umzustimmen. Wie viele sich betrogen Wähnende hoffte er insgeheim immer noch auf einen Beweis ihrer Unschuld. Das sah auch der Marquis, der zwar unter Beobachtung stand, aber auf freiem Fuß war, und versuchte eine Audienz für Ramis zu erwirken. Doch er wurde nicht durchgelassen, weil einige fürchteten, der Junge könne in seinem Entschluss schwanken. Dem Marquis drängte sich die Gewissheit auf, dass mehre hochgestellte Persönlichkeiten in den Fall verwickelt waren. Keiner war bereit, ihm zu helfen. Alle sogenannten Freunde, die um die Herzogin herumscharwenzelt hatten, blieben stumm. Verzweifelt weilte der Marquis in Gedanken bei seiner Freundin, die verlassen in einer düsteren Zelle hockte und auf den Tod wartete. Doch er wollte alles versuchen, um sie zu retten. Nur nicht die Hoffnung aufgeben! Noch war sie nicht verurteilt...
Ramis war alleine in der Zelle mit dem kleinen vergitterten Fenster, durch das kaum Licht hereinfiel. Sie konnte ein Stück Himmel sehen. Als Adlige hatte man ihr mehr Luxus als den übrigen Gefangenen zugebilligt. Doch auch dieser Luxus bestand nur in einem schmalen Bett, einem Stuhl mit Tisch und einem eigenen Raum. Oft hörte sie die Schreie und das Gestöhne der Kranken aus dem Hospital, denn das Gefängnis gehörte zu dem für diese Zeit üblichen Komplex aus Gefängnis, Irrenhaus und Krankenhaus. Die Laute aus den anderen Zimmern begleiteten sie in den Schlaf und weckten sie wieder auf.
Ihren Gedanken überlassen, grübelte sie ununterbrochen, sie konnte sich nicht dagegen wehren. Guillaumes Verlust hatte sich zu einem dumpfen Schmerz gewandelt. Sie wusste, dass sie ihm bald folgen würde, welche Trennung gab es also zu betrauern? Es grämte sie nur, dass ihre Tochter auf einmal Vollwaise sein würde. Vielleicht war es jetzt ein Segen, dass sie nie ein sehr enges Verhältnis gehabt hatten, denn nun hatte
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