Dunkle Häfen - Band 2
Herzogin.
Das Haus der Comtesse, das sie stolz als 'ihr kleines Palais' bezeichnete, lag in einem eher berüchtigten Viertel, obwohl es wirklich groß und luxuriös war. Vermutlich brauchte diese Frau einfach Verdorbenheit um sich herum, überlegte der Marquis sarkastisch, weil auch mehrere der teuersten Freudenhäuser in derselben Straße lagen. Die Dame des Hauses war anscheinend zu Hause, denn sie empfing ihn sofort. Als er zu ihr geführt wurde, stellte er fest, dass die Inneneinrichtung zu ihr passte. An den Wänden hingen Gemälde mit erotischen Motiven und nackte Statuen in antiken Stil standen neben Treppenaufgängen und in Nischen. Schwere rote Samtvorhänge fingen allzu grelles Licht ab, so dass im Gang eine diffuse Atmosphäre herrschte. Man brachte ihn in ein Zimmer, das wohl ihr Privatsalon war. Er war ausnehmend hübsch, einladende Diwane, deren Polster mit orientalischen Mustern verziert waren, standen herum und in einem goldenen Käfig zwitscherten exotische Vögel. Ein süßlicher, betäubender Geruch ging von einer Pflanze mit riesigen roten Blüten aus, die er nicht kannte. Noch während er all das betrachtete, kam die Comtesse aus einem Nebenraum herein. Sie trug eine Contouche aus weinroter Seide, die ihr sehr gut stand. Ihre echten Haare fielen ihr in schwarzen Kaskaden auf die Schultern und um ihren Hals bemerkte der Marquis einen merkwürdigen Anhänger, den er allerdings nicht lange mustern konnte, weil ihn die Adlige jetzt leutselig ansprach:
"Wie schön, Euch wiederzusehen, mein Lieber!" Graziös reichte sie ihm die Hand zum Kuss.
Er reagierte nicht und ihr Lächeln gefror einen Moment zu Eis. Doch sie fing sich schnell wieder und bat ihn, es sich bequem zu machen. Bedächtig setzte er sich auf eine der weichen Liegen. Weil er wusste, wie gut sie einen einspinnen konnte, kam er schnell zur Sache.
"Wisst Ihr irgendetwas über den Mord am Herzog de Sourges?" , fragte er scharf.
Sie war darauf vorbereitet gewesen.
"Ich? Aber nein, Monsieur, ich weiß nicht mehr als die anderen. Mir ist natürlich klar, was Ihr denkt. Wegen unserer alten Feindschaft und so. Nun, ich kann nicht leugnen, dass ich sie nicht mag. Doch ihren Mann umbringen? Verzeiht mir meine Offenheit, aber ich hätte gleich sie umgebracht!"
Er wollte es ihr nicht verzeihen. Dennoch sah sie in der Tat nicht so aus, als hätte sie etwas mit der Sache zu tun. Sie wirkte schadenfroh, jedoch nicht selbstzufrieden. Ein Diener kam herein und bot Erfrischungen an. Der Marquis nahm ein Glas Wein, weil sein Hals so trocken war. Die Gastgeberin würde ihn schon nicht vergiften, sie hatte wenig Grund dazu. Vorsichtig nahm er einen Schluck. Der Wein war sehr gut und der Marquis trank mehr davon. Auch die Comtesse nippte an ihrem Glas und sah ihn an. Sie begann ein belangloses Gespräch, aber ihre Augen sprachen beredsam etwas anderes. Er sollte nun wirklich gehen, doch der Wein mundete so gut und ein warmes Gefühl breitete sich in seinem Magen aus. Ein weiteres Glas wurde ihm angeboten und er nahm an. Die Comtesse ihm gegenüber räkelte sich schlangengleich auf ihrer Liege. Sie lehnte sich zurück und lockerte ihren Ausschnitt, bis fast ihre Brüste entblößt waren. Unter dem dünnen Stoff zeichnete sich noch mehr ab. Dem Marquis wurde heiß. Er hatte schon länger keine Frau mehr gehabt. Irgendwie hatte er geglaubt, das Ramis schuldig zu sein, ihr, die seit Ewigkeiten enthaltsam lebte. Doch hier fixierten ihn hypnotisierende Augen.
"Ihr Armer..." , hörte er wie durch einen Schleier, "so einsam und verlassen. Ich werde Euch trösten."
Langsam erhob sie sich und schlüpfte neben ihn auf den Diwan. Sie muss etwas in den Wein getan haben, schoss es ihm noch durch den Kopf, ehe er auch diesen Gedanken unter ihren geschickten Händen vergaß.
Er blieb bis zum nächsten Morgen bei ihr.
Recht und Sühne
Der Tag des Prozesses. Der Saal summte wie ein Bienenschwarm. Wie lange hatte es dergleichen schon nicht mehr gegeben? Und was für ein Sturz für die hochnäsige Herzogin! Hatte sie wirklich geglaubt, sie könne sich alles leisten? Viele warteten rachsüchtig auf das Urteil und auf die Reaktion der Todgeweihten, denn am Ergebnis zweifelte kaum einer. Weitaus weniger zahlreich waren diejenigen, die Mitleid empfanden. Der König ließ sich nicht blicken, er wollte niemanden sehen. Dafür war D'Orléans präsent. Er wirkte zufrieden. Man hatte nach langem Überlegen beschlossen, dass die Angeklagte bei der Urteilsverkündung
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