Dunkle Häfen - Band 2
Möbel mussten mindestens aus dem vorigen Jahrhundert stammen.
"Wollt Ihr hier denn nie etwas verändern?" , fragte Ramis ihn, während sie die antiquierten Schränke und Stühle betrachtete. "Was würde Eure zukünftige Frau dazu sagen, in diesem alten Gemäuer weit weg vom gesellschaftlichen Leben zu wohnen?"
Sie hatte es noch nicht aufgegeben, ihm gute Ratschläge im Planen seiner Zukunft zu geben. Er seufzte genervt.
"Verehrte Madame, ich werde nicht heiraten, also wird keine Frau in diese Verlegenheit kommen. Wie oft haben wir das schon durchdiskutiert? Es gibt nur eine Frau in meinem Leben und die ist unerreichbar."
Er zog einige Kissen hinter seinem Rücken hervor und legte sie neben sich. Ramis weigerte sich, ihn anzusehen.
"Ihr seid noch jung, Marquis! Wie könnt Ihr Eure Jugend derart wegwerfen? Und Ihr seid der Erbe. Solltet Ihr nicht Euren Stammbaum weiterführen?"
"Ihr selbst würdet eine Heirat nur aus diesem Grund verurteilen! Was soll das?"
"Ich will Euch nur glücklich sehen. Nach all den Jahren habt Ihr noch immer nicht begriffen, dass ich niemand en glücklich machen kann. Habt Ihr nicht gemerkt, wie mir das Unglück folgt wie ein Schatten. Es liegt ein Fluch auf mir, mein Freund. Seit dem Tage meiner Geburt war ich verflucht. Vielleicht bin ich ein Wechselbalg, das meinen Eltern in die Wiege gelegt wurde."
Sie schluckte und begann nervös, an einer Schleife ihres Kleides herumzunesteln.
"Glück habe ich ihnen nicht gebracht. Im Gegenteil, ich habe mich an ihnen schuldig gemacht und an allen anderen auch, die den Fehler begangen haben, mich zu lieben. Meine Ziehmutter starb vermutlic h einsam in einer von Londons Gassen, meine Freundin verbrannte durch meine Schuld. Und meine Söhne..." Sie schlug die Hände vors Gesicht. "Ich ließ sie im Stich! Und ich habe Edward ins Unglück getrieben! Wollt Ihr so jemanden lieben? Manches wisst Ihr noch gar nicht! Die alten Frauen verfluchen mich und schimpfen mich Mörderin oder entartetes Weib! Ich werde von einem verwünschen Stein verfolgt! Gerade als ich dachte, ich hätte hier etwas erreicht, kommt er , um mich täglich an meine Schuld zu erinnern, und ich..."
Sie sackte auf ihrem Sessel zusammen.
"Einst fuhr ich auf einem Schiff mit dem Namen Breeze of Fate , die Brise des Verhängnisses. Was für eine Vorsehung! Sie folgt mir wie ein schlechter Geruch. Das Schicksal muss mich hassen!"
Heftig sprang sie auf, selbst überrascht von ihrem Ausbruch. Betroffen starrte der Marquis sie an. Schließlich stand er ebenfalls auf und legte ihr eine Hand auf den Arm.
"Sscht ", machte er beruhigend. "Wovor ängstigt Ihr Euch? Vergesst nicht, ich werde Euch beschützen."
Manchmal reicht die Kraft eines einzigen nicht aus, um etwas zu verhindern, wollte sie kommentieren, behielt es aber für sich.
Er sucht e ihren Blick.
"Wollt Ihr heute Nacht hier bleiben?"
Sie dachte an das leere Haus, das sie erwartete, wenn sie zurückkehrte. Guillaume war noch unterwegs und würde erst am Morgen zurückkehren. Und ihre Tochter... Welchen Trost konnten sie einander noch spenden? Charlotte bevorzugte so offensichtlich andere Leute als ihre Mutter, die sie wie eine Fremde behandelte.
"Ja ", antwortete Ramis. "Ich bleibe."
Es tat gut, zu wissen, dass sie nicht allein war. Als sie nach einem langen Abend mit Kartenspielen und Reden ins Bett ging, schlief sie sehr gut.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als Ramis heimkam. Im Haus herrschte eine Totenstille. Ramis blieb der gutgelaunte Gruß im Hals stecken und ein ungutes Gefühl bemächtigte sich ihrer. Sie schien ein Geisterhaus zu betreten. Von irgendwoher drang ängstliches Geflüster.
"Hallo?" , rief sie in die Stille, die von Angst erfüllt war. "Ist hier jemand?"
Henriette tauchte hinter einer Ecke auf. Ihr Gesicht war vom Weinen verquollen, ihre Augen weit vor Grauen.
"Henriette! Was ist los?" , schrie Ramis erschrocken auf.
Ihre Zofe schniefte.
"Etwas Schreckliches, Madame. Es ist ganz furchtbar!"
Fast hätte die Herzogin die verstörte Frau durchgeschüttelt.
"Madame, es ist der Herr! Er ist tot!"
Ramis stand wie betäubt.
"Du scherzt, oder?"
"Nein, ganz und gar nicht!" Henriette schluchzte auf und knüllte ein Tuch zwischen den Fingern.
"Aber was...?" stotterte Ramis.
"Ermordet..." , seufzte Henriette schwach.
Das grässliche Wort blieb riesengroß zwischen ihnen hängen.
"Mein Gott!" , hauchte Ramis. "Wo...?"
"Wir fanden ihn heute Morgen vor dem Tor, Madame. Das ist so
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