Dunkle Häfen - Band 2
dabei sein sollte. Es war ein Zugeständnis an ihren Titel, aber auch eine Strafe, denn man hatte den Saal den Zuschauern geöffnet, die diese einmalige Sitzung des Hofgerichtes sehen wollten.
Den Vorsitz hatte der Regent inne, in Vertretung für Seine Majestät, der immer noch nicht aufgetaucht war. Als man im Saal für Ruhe gesorgt hatte und alle Beteiligten Platz genommen hatten, wurde die Anklage verlesen: Mord an ihrem Mann aus niedrigen Motiven. Danach setzte man sich erneut mit den Umständen der Tat auseinander und befragte verschiedene Zeugen - von denen natürlich keiner am Zeitpunkt des Mordes anwesend gewesen war. Spekulationen und Gerücht e statt Beweise, dachte der Marquis bitter. Gegen Ende des Prozesses erschien auch der junge König. Er sah müde aus und es schien manchem sogar so, als hätte er geschwollene Augen.
Dann hatte man endlich alle Einzelheiten durchgekaut und ließ die Angeklagte rufen. Es wurde ganz still, als sie hereingeführt wurde. Aller Augen richteten sich auf die ganz in Schwarz gekleidete Frau, die hocherhobenen Hauptes den Saal betrat, bewacht von zwei Gardisten. Sie trug weder Hut noch Perücke, kein Schleier bedeckte ihr fahles Gesicht. Scheinbar unbekümmert schritt sie den Gang entlang und bis auf eine leichte Blässe hätte nichts darüber Aufschluss gegeben, dass sie ihrem Todesurteil entgegensah. Es wirkte vielmehr so, wie jemand bemerkte, als ginge sie zum Arzt, zwar ein unangenehmer Gang, aber bald vorbei. Das hier fing gerade erst an. Erst als sie auf ihrem Platz vor der Tribüne des Regenten stand, gestattete sie es sich, die Anwesenden zu mustern. Ihr Blick begegnete dem des Marquis, der seelenwund und von sich enttäuscht ganz vorne saß. Es war, als sähe er sie zum ersten Mal. Sie war so ruhig und gefasst, von ihr ging eine Kraft aus, die er nie an ihr bemerkt hatte. Sie schien über alldem zu stehen, als könnte ihr nicht etwas anhaben.
Sie begegnete den höhnischen Blicken der Comtesse und des Regenten, bekam keinen Kontakt zum König und Adélaide, die sie nicht ansahen. Antoinette de Mincourt hatte sich einen Hut vors Gesicht gezogen. Fayfords Ausdruck war wie üblich unergründlich und sein Starren hätte Blut zu Eis gefrieren können, wäre das nicht bereits längst passiert. So bekam er nur dieselbe kalte Verachtung zu spüren wie alle ihre Feinde. Als der Regent geschäftig in seinen Papieren blätterte, wirkte Ramis beinahe abwesend, ihre Augen schauten verklärt zur Decke. So ziemlich alles sagte zu ihren Ungunsten aus. Louis gab während der gesamten Zeit kein einziges Wort von sich. Dann war der Augenblick der Urteilsverkündung gekommen. Der Regent flüsterte Louis etwas ins Ohr. Der nickte und setzte seine Unterschrift unter ein Papier, das vor dem Regenten lag. Der unterschrieb ebenfalls und schob anschließend einem Herold einen Zettel zu. Der hob an zu sprechen und verkündete laut:
"Aufgrund der erdrückenden Beweislast gegen die Angeklagte, ihres fehlenden Alibis und ihres beharrlichen Schweigens zu allen Fragen..."
Weiter kam er nicht, denn plötzlich war der Marquis aufgesprungen und rief deutlich:
"Ich kann sagen, wo die Herzogin in der Mordnacht war!"
Ramis Kopf ruckte herum und ihre Augen blitzten. Er sollte es lassen. Nein, er würde es nur noch schlimmer machen und sich selbst da hineinziehen.
"Und, wo war sie?" , fragte der Regent gedehnt.
"Sie war bei mir."
Getuschel und Stimmen erhoben sich. Man musste für Ruhe sorgen. Der König starrte den Marquis an und sein sonst verschlossenes Gesicht drückte nun doch einiges aus.
"Und das soll entlastend sein?" , kam ein Zwischenruf aus dem Publikum.
"Wir haben keine Mordpläne geschmiedet! Wir hatten nie ein Verhältnis! Sie kam nur, um nicht alleine zu sein, denn der Herzog war ja nicht da. Sie wollte den Abend mit einem Freund verbringen. Niemals hätte sie ihren Mann ermordet! Er war ihr Freund! Und niemals hätte sie das aus dem Motiv getan, das man ihr vorwirft! Jeder, der sie kennt, weiß das!"
Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so still war es. Fayford grinste leicht, er schien dieses Theaterstück zu genießen.
"Und, könnt Ihr ihre Unschuld auch beweisen?" Das war wieder der Regent. "Könnt Ihr beweisen, dass Ihr nie ein Verhältnis mit ihr hattet? Ihr kennt die Gerüchte über die kleine Charlotte de Sourges. Denn man sagt, dass der Herzog seine Frau nie angerührt habe."
Der Marquis senkte den Kopf und wurde rot. Etwas Dümmeres hätte er kaum tun
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