Dunkle Häfen - Band 2
so sah sie auch aus. Zittrig hielt sie sich auf den Beinen.
"Mein Freund!" Ihre Stimme war ein Krächzen, so als hätte sie die kurz e Zeit hier das Sprechen verlernt. "Ihr seid da."
Sie näherte sich dem Gitter. Mit jedem Schritt schien ein Stück des Grauens von ihr abzufallen. Langsam streckte sie die Hand durchs Gitter und berührte das Glas der Öllampe. Obwohl es brennend heiß war, zuckte sie nicht zurück.
"Ihr bringt mir Licht ", wisperte sie.
Der Marquis fasste sachte nach ihrer Hand. Wie Eis, stellte er fest.
"Mon dieu!" , flüsterte er. "Mein armes Mädchen."
Sie streckte nun auch die andere Hand heraus und tastete nach seinem Gesicht. Ein winziges Lächeln erhellte ihr Antlitz.
" So viel warmes Leben", murmelte sie mehr zu sich selbst.
Dann blickte sie ihm forschend ins Gesicht.
"Ihr macht Euch Vorwürfe. Warum?"
Er antwortete nicht. Wie konnte er ihr von seinem mehrfachen Versagen berichten?
"Ihr hättet mich nicht retten können. Gebt Euch nicht die Schuld. Schuld sind meine Feinde und ich in meiner Blindheit, die mich nicht sehen ließ, was ich hätte sehen sollen. Ihr seid nur ein weiteres Opfer."
Ein bitteres Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.
"Wie seid Ihr eigentlich hier hereingekommen?"
"Bestechung. Und wir haben nicht viel Zeit, der Wächter fürchtet, ertappt zu werden."
"Dann müssen wir uns eben beeilen. Ich muss Euch noch einiges sagen. Nur Euch kann ich noch mein Testament mitteilen. Verbrecher haben keinen letzten Willen, der respektiert wird. Ich glaube nicht, dass uns je Gerechtigkeit widerfahren wird, meinem Mann und mir, oder?"
Er nahm tief betroffen ihre Hände.
"Doch, dafür werde ich sorgen! Eines Tages werden seine Mörder büßen müssen."
Ein Räuspern von hinten unterbrach sie. Der Wächter.
"Ihr müsst jetzt Schluss ma chen", sagte die gesichtslose Stimme. "Sonst kriegen die anderen was mit."
Der Marquis steckte ihm noch einmal einige Münzen zu und der Mann zog sich wieder ein wenig zurück. Ramis wandte sich noch einmal an den Marquis.
"Ich muss noch etwas klären. Es geht um Charlotte. Sie ist jetzt ganz allein..."
"Ich werde sie zu mir nehmen."
"Du musst sie an Kindes statt annehmen, mon ami. Mach sie zu deiner Tochter. Abe r versprich mir, ihr niemals zu sagen, dass sie vielleicht nicht die Tochter des Herzogs ist. Tust du das?"
Er nickte überwältigt.
"Ich werde dafür sorgen, dass sie ihr Erbe bekommt, Anne. Ich verspreche dir alles."
"Dann hör mir gut zu. Du musst nämlich noch etwas tun. Nicht für mich, sondern für dich und Charlotte. Deshalb bitte ich dich inständig, zu heiraten."
Er starrte sie fassungslos an.
"Bist du verrückt? Wie in aller Welt kannst du jetzt auf so ein Thema kommen?" Seine Stimme versagte beinahe.
"Weil es mir sehr wichtig ist! Marquis, bitte! Ich will nicht, dass Charlotte ohne Mutter aufwächst. Niemand sollte das! Sie soll Geschwister haben und ihn einer Familie geborgen sein. Und du sollst eine Frau an deiner Seite haben", fügte sie mit zärtlicher Stimme hinzu. "Du hast genug für mich geopfert, ich will, dass du eine liebst, die deine Gefühle richtig erwidern kann. So würdest du mich am glücklichsten machen."
"Das ist wahrlich eine schwere Last, die du mir da auferlegst. Und wen sollte ich überhaupt heiraten?"
"Nicht so gereizt, Marquis. Lass uns unbeschwert sein, als ständen wir auf einer weißen Sanddüne am Meer, an einem leichten Sommertag und könnten die Wellen rauschen hören. Stell dir vor, dass das Wasser deine Beine umspült..." Sie seufzte kaum hörbar. "Ich hatte an die Marquise Duveney gedacht, du weißt doch, die mit dem Vater mit den Hängebacken. Aber sie mag dich sehr, scheint mir und ich finde sie hübsch. Ich bin nicht so weltfremd, wie du denkst, Marquis. Manchmal sehe auch ich, was Mann und Frau empfinden. Sie gefällt mir und sie scheint warmherzig. Sie würde Charlotte eine gute Mutter sein."
Ramis musste schlucken. Sicher eine bessere Mutter als ich es war.
"Und was ist mit der Liebe, Anne? Könnte ich ihr das antun, dass ihr Mann eine andere liebt?"
"Bitte versprich mir, es wenigstens zu versuchen und sie zu fragen. Erzähle ihr die Wahrheit. Aber ich will, dass du glücklich wirst. Du lebst und jedes Herz ist unendlich fähig, noch mehr Liebe zu schenken, egal wie aussichtslos es erscheint!"
Er willigte ein, weil er sich der Dringlichkeit in ihrer Stimme nicht verschließen konnte. Hinter ihren poetischen Worten verbarg sich ein starker Wunsch. Er versprach es und
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