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Dunkle Häfen - Band 2

Dunkle Häfen - Band 2

Titel: Dunkle Häfen - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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Marquis d'Agny gerettet. Ich weiß das, weil ich selbst sie auf dieses Schiff gebracht hatte. Sie war wegen Mordes an einem Adligen und wegen Piraterie angeklagt. Ja, diese Frau war in der Tat ein weiblicher Piratenkapitän! Und zweifelt jemand daran, so sehe er sich ihr Gesicht an! Keine Narben, wie sie immer vorgegeben hat. Als ich nach Paris kam, hatte sie ganz zufällig zu dieser Zeit einen Unfall und musste sich hinter einem Schleier verbergen. Ich denke, das dürfte genug Aufschluss über ihren Charakter und ihre abgrundtiefe Schlechtigkeit gegeben haben. Auch ohne diesen neuerlichen Mord hätte sie den Tod verdient." Er nahm wieder Platz.
    Ramis starrte scheinbar unbeteiligt auf ihren Rubinring, den sie für alle sichtbar am Finger trug. Natürlich, er musste ja bei seinem Triumph dabei sein. Wildes Raunen um sie herum. Was für ein Skandal! Die Herzogin de Sourges eine Hochstaplerin und sogar eine Verbrecherin!
     
    Sie suchte den Blick des Königs und fand ihn schließlich zum ersten Mal an diesem Tag. Das Urteil war gefällt, das merkte sie sofort. Sie konnte es an dem Zorn lesen, vor allem aber an der Gekränktheit und dem schnellen Abwenden des Kopfes.
    Warum nur hast du mich verraten? hatten seine Augen gefragt. Ich wollte dir doch alles schenken.
    Ramis wollte ihm alles erklären, ihm die Wahrheit sagen, doch sie stieß gegen eine Mauer. Louis sagte ein paar Worte zum Regenten. Damit war alles entschieden. Der Herzog d'Orléans nahm die Dokumente mit den Siegeln wieder hoch und begann vorzulesen. Wie durch einen Schleier hindurch vernahm Ramis das Urteil: Tod durch Erhängen. Nicht das Beil, das einem Adligen zustand. Sie öffnete den Mund, um zu Louis zu sprechen, im Namen der Freundschaft, die sie verbunden hatte, aber man zerrte sie bereits fort. Irres Gekicher drang an ihr Ohr. Die Comtesse, teilte ihr eine Stimme in ihrem Kopf mit. Das Stimmengewirr der aufgeregten Leute rauschte wie Gebrüll. Sie drehte sich noch einmal um, um dieses eine Wort zu schreien, das Ihr die ganze Zeit im Kopf herumgegangen war:
    "Warum?" verlangte sie zu wissen.
    Einfach nur dieses Wort. Sie konnte nicht mehr sagen, an wen es gerichtet war. An ihre Richter, an die Verschwörer, an Louis oder an Fayford, an das Schicksal oder an Gott? Warum?
     
    Sie schafften Ramis in eine andere Zelle, dunkel und feucht. Es gab niemanden mehr, der ihr noch Vorrechte einräumte. Nach dem Urteil hatte man ihr Ländereien und Titel genommen. Für den Hof war sie schon gestorben und nur noch Abschaum. Am Anfang saß Ramis auf dem klammen Boden, der mit schimmeligem Stroh ausgelegt war und grübelte wieder. Sie dachte über ihr Leben und die Menschen darin nach. Sie spürte deutlich, dass sich ihr etwas stets entzogen hatte. Eigentlich hatte sie immer so sehr um die Vergangenheit getrauert, dass sie die Gegenwart vergaß. Sie kam nie aus dem Trauern heraus, auch in Momenten des Glücks.
    Ich kann nicht loslassen, überlegte sie.
    Auch jetzt wollte sie das Leben festhalten, obwohl sie sich so oft gewünscht hatte, es nicht mehr ertragen zu müssen. Aber hatte sie je wirklich gelebt? Es gab noch so viel... Krampfhaft unterdrückte sie die aufsteigenden Tränen und den Drang zu schreien, um die grausige Angst zu vergessen. Es war so schwer, sich nicht aufzugeben. Sie durfte die Gefühle nicht die Oberhand gewinnen lassen, das wäre der Weg in den Wahnsinn. Die Mauern, im dämmrigen Licht gerade noch erkennbar, schienen sie zu erdrücken. Bald dachte sie gar nichts mehr, Leere in ihrem Kopf. Eine dumpfe Angst hatte Ramis befallen. Jeder Gedanke an den Strick, der sich um ihren Hals legen würde und an die hereinbrechende Nacht mit ihrer kalten Dunkelheit, musste vermieden werden. In diesen Zeiten war es schwer, sich nicht aufzugeben. Die Stunden vergingen zugleich unendlich langsam und doch viel zu schnell, es waren ihre letzten.
     
    Der Riegel an der Tür, der zurückgeschoben wurde, ließ Ramis auffahren. Jemand trat an das Gitter, mit einer rettenden Lampe in der Hand. Licht! Der Marquis schien bereits aus einer anderen Welt zu kommen, aus dem Reich der Lebenden, zu dem sie nicht mehr gehörte. Man hatte sie in eine Halbwelt gesperrt, zwischen Leben und Tod.
    Der Marquis blickte auf die schwankende Gestalt, die sich an der Wand abstützte und geblendet den Blick abwandte. Er erschrak über ihre Pupillen, die in der Dunkelheit riesig geworden waren und darüber, dass sie so hohl und fahl wie ein Gespenst war. Der Tod saß ihr im Nacken und

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