Dunkle Häfen - Band 2
die diese Strafe empfangen."
Seine Augen verdunkelten sich.
"Es ist meine Schuld. Fast wärst du auch gestorben. Du hast mit dem Wundbrand gekämpft und er hätte dich fast besiegt. Aber einige wollten dich nicht sterben lassen. Denkst du, du kannst eine Reise antreten?"
Sie nickte leicht.
"Wohin? Zum Galgen? Aber dann macht es wenigstens kurz."
"Nein, nicht dahin. Das ist jetzt endgültig vorbei. Heute Nacht wird dich jemand mitnehmen. Ich weiß nicht, wohin. Es sei denn..."
Er verwei gerte ihr weitere Auskünfte. Ramis wusste nicht, was sie denken sollte, verstand gar nichts. Was war nur mit ihm geschehen? Warum hatte er sie nicht aufhängen lassen? Der Arzt kam wieder herein und flößte ihr ein Mittel ein, durch das sie bald einschlief.
Erbittert verbiss Ramis sich ein Stöhnen, als der Lord sie hochhob und nach draußen trug. Es war ein älteres, fast baufälliges Haus, das sich am Stadtrand befand. Es schien unbewohnt zu sein, also gehörte es noch jemandem, sonst hätten sich längst Obdachlose dort eingenistet. Als sie davor standen, hielt ihr Träger inne. Ihm schien ihr Gewicht keine Probleme zu bereiten.
" Ich muss dich noch etwas fragen", begann er. "Es ist an der Zeit, dass ich dir etwas gestehe, was ich schon lange hätte tun sollen, denn damit hätte ich sehr viel Übel vermieden, auch wenn ich immer noch nicht ganz überzeugt davon bin, ob das, was ich dir nun sage, wirklich gut ist. Hör mir zu, auch ich musste feststellen, dass ich dir gegenüber anders empfinde, als ich es wollte. Nur war ich noch unfähiger, hinter meinen Hass zu schauen. Ich weiß nicht, wann das alles angefangen hat. Vielleicht schon in all den Jahren, in denen du noch Piratin warst, auf jeden Fall hatte ich seit jeher starke Gefühle dir gegenüber. Du hast mir Liebe geschworen, obwohl du wusstest, dass ich es war. Als mir das klar wurde, sah ich endlich die für mich schreckliche Gefahr dahinter, nämlich dir zu verfallen. Ich wollte dich loswerden. Als es dann jedoch soweit war, konnte ich es wieder nicht ertragen und brachte dich nach London. Was während der Reise passierte, überzeugte mich allerdings endgültig davon, dass du möglichst schnell verschwinden musstest - bevor ich es mir anders überlegen konnte. Es durfte nicht sein, dass ich meine Feindin liebte . Ich veranlasste deine schnelle Verurteilung; und wenn William nicht gekommen wäre, hätte ich dich sterben lassen. In dieser Nacht jedoch, als dein Sohn mich verlassen hatte, nachdem ich ihm gesagt hatte, ich würde nichts für dich tun, kamen mir plötzlich Zweifel. In dieser Nacht dachte ich lange über mich - und über dich - nach. Am Ende habe ich einen Entschluss gefasst, denn ich wusste nun, dass es bereits zu spät war, dich zu vergessen und wie sehr ich an dich gebunden bin. Mir ist bewusst, was ich dir alles angetan habe, welche Grausamkeiten ich im Namen der Rache verübt habe, in dieser Zeit des Gefühlwirrwarrs und der Selbstverleugnung. Auch jetzt bist du nur durch meine Schuld so krank. Trotz allem, Ramis, ich brauche dich... Wenn du es noch wünscht, kannst du hier bleiben, bei mir. Ich werde dich fort aus London bringen und auch fort aus England, ganz wie du willst."
Lange blickte Ramis ihn an, traurig, wie er den Eindruck hatte.
"Damals sagte ich die Wahrheit. Doch niemals hat es mich glücklich gemacht. Es hat mich so beschämt , weil ich mit vollem Wissen in den Untergang rannte und dich gegen alle Vernunft wollte. Es ist einfach zu viel zwischen uns geschehen, unverzeihliche Dinge. Ich kann dich nie normal lieben, zwischen uns würde immer die Vergangenheit stehen, auch wenn ich mich jetzt wie zuvor nach dir sehne. Es geht nicht, Fayford. Kannst du mir denn versichern, dass du mich völlig ohne Hass und Rachedurst ansiehst? Unsere Beziehung ist genau daraus erwachsen und wie soll sie sich so plötzlich geändert haben? Ich glaube, wir würden uns wieder hassen..."
Ohne etwas zu erwidern, setzte er sich wieder in Bewegung. Er versuchte nicht, sie zu überreden, was sie beinahe enttäuschte. Bedeutete sie ihm so wenig?
Er nahm kurz ihre Hand.
"Auf Wiedersehen, Ramis. Ich werde trotzdem auf dich warten."
James legte sie in einer Kutsche ab. Ramis erkannte, dass er sie ziehen ließ, weil er ihre Worte sehr ernst nahm. Mit einem halben Lächeln schloss er die Wagentür. Ihr gegenüber saß jemand. Einen Moment glaubte, sie wäre verrückt geworden und Fayford säße da, obwohl er doch eben noch draußen gewesen war. Aber der Mann
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