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Dunkle Häfen - Band 2

Dunkle Häfen - Band 2

Titel: Dunkle Häfen - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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Haarpracht fielen Tropfen auf ihre Schultern. Verkrustete Schorfe bedeckten die Haut an manchen Stellen. Ihre Augen wirkten gleichgültig, als sie den Blick über die Anwesenden schweifen ließ. Über ihnen ratterten nun Fensterläden, als die Anwohner aufmerksam wurden. Stimmen wurden laut und riefen nach ihren Mitbewohnern.
    "He, warum habt ihr uns nichts gesagt?" , brüllte jemand herunter. "Wir wollen doch mal wieder was sehen!"
    Der Lord ärgerte sich über die Leute. Er hatte mit Absicht diesen Hinrichtungstrubel, der stets in einen Jahrmarkt ausartete, vermeiden wollen. Der Anblick dieser Frau gehörte nur ihm. Er merkte, dass sie ihn mit eigenartiger Intensität anstarrte, ihn unter den Anwesenden entdeckt hatte. Wusste sie, dass er darauf gedrängt hatte, dass sie möglichst schnell hingerichtet wurde? Bevor sie sich an diesem Abend auf dem Schiff vereinigt hatten, hatte er andere Pläne gehabt. Doch er hatte sie geändert, Ramis musste auf einmal so schnell sterben wie möglich, sie war gefährlicher für ihn, als er angenommen hatte. In einem beispiellosen Schnellverfahren wurde sie für schuldig erklärt, halb illegal, doch würde niemand etwas dagegen einwenden, da ihr Tod schon vor dreißig Jahren beschlossen worden war. Und weil man sie nicht zweimal hängen konnte, wurde sie wegen der Piraterie mit dieser Auspeitschung bestraft. Dass man ganz bewusst gegen die geltenden Rechtsgrundsätze verstoßen hatte, brauchte sie nicht zu wissen. Nach diesen hätte sie nämlich das Recht gehabt, einem Richter vorgeführt zu werden. Das Resultat wäre das gleiche gewesen, doch James hatte es eilig gehabt. Nun war der Augenblick da, den Fayford sich so lange gewünscht hatte. Seltsamerweise verspürte er nicht viel Freude dabei. Er setzt eine undurchdringliche Maske auf und verfolgte scheinbar unbewegt das Geschehen.
    Inzwischen waren doch immer mehr Menschen auf den Platz geströmt, sie tuschelten und wunderten sich, was das für eine Veranstaltung war. Sie wollten wissen, wer diese Frau war und was sie getan hatte. Was erzählte man da für eine Mär? Eine Piratin? Blödsinn! Das gab es nur in Geschichten! Interessiert sahen sie zu, wie man die arme Kreatur an den Pfahl fesselte. Aber eines musste man ihr lassen: Sie bewies Haltung, auch wenn sie ein wenig abwesend wirkte. Der Henker riss ihr nun mit einem Ruck den Kittel auf und enthüllte den weißen Rücken mit der zarten Haut. Ihre Augen wurden noch glasiger und ihre Lippen bewegten sich stumm, als bete sie. Fayford fluchte über sich selbst, weil ihn die nackten Schultern und Brüste, die unter dem Kittel zu sehen waren, so berührten, ebenso die Geste, mit der sie sich trotz ihrer Fesseln zu bedecken suchte. Sie spannte den Rücken an und erwartete den Schlag. Der kam sehr rasch. Ein Schmerzenslaut drang zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor, als die Peitsche rote Furchen in den Rücken rissen. Leblos beobachtete er jede Einzelheit. Bei jedem Schlag befand sich weniger heile Haut dort und bald konnte sie die Schreie nicht mehr unterdrücken. Wo war die Genugtuung? Noch bevor sie alle angeordneten Schläge hinter sich hatte, brach sie ohnmächtig zusammen. Die Leute buhten. Jetzt am Morgen lag ihnen dieses Blut zu schwer im Magen und die arme Frau rührte sie an. Es war nicht recht. Fayford wandte sich ab und schwang sich auf sein Pferd, während man sie auf den Karren lud und fortfuhr. Er konnte ihre Augen nicht vergessen, wie sie ihn angesehen hatten. Augen, in denen unter der stolzen Unberührtheit hilflose Angst gelauert hatte.
     
    Es war spät in der Nacht. Der Lord saß an seinem Schreibtisch. Vor ihm lagen Korrespondenzen und er musste sich um die offiziellen Dinge kümmern, weil er seinen Posten so verfrüht verlassen hatte. Doch er unternahm nichts. Ein leichter Luftzug brachte die Kerze vor ihm zum Flackern. In Erwartung seines Dieners drehte er sich um, um ihn wegen der Störung zu tadeln. Doch die hochgewachsene Gestalt war eine andere. Ein Mann mit schlanker Taille und einem großen Hut, der sein Gesicht im Dunkeln ließ. Gute Kleidung und doch nicht die eines Adligen, dazu war sie zu schlicht in schwarz und vor allem zu praktisch. Außerdem würde kein Höfling so abgetragene Lederstiefel und einen derart mitgenommenen Hut tragen. Eine Befugnis, hier zu sein, hatte der Kerl jedenfalls nicht. Eher sah er wie ein verwegener Halunke aus. Fayfords Hand tastete nach seinem Degen, der am Tisch lehnte. Er stand auf und zog die Waffe, die er

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