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Dunkle Häfen - Band 2

Dunkle Häfen - Band 2

Titel: Dunkle Häfen - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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war viel jünger und ihr wurde rasch klar, wer es war. Sie musste krampfhaft schlucken. Unfassbar schien es.
    "William! Sag, dass es kein Traum ist!" , schrie sie.
    Er betrachtete sie einfach schweigend. Dann zuckte ein furchtbarer Schmerz durch ihren Körper. Sie merkte gar nicht mehr, dass sie die Besinnung verlor.
     
    Ramis kam schnell wieder zu sich, doch man gab ihr wieder ein Schlafmittel und so wachte sie erst auf, als sie bereits auf dem Meer war. Sie befand sich auf einem Schiff, Williams Schiff. Es war nicht mehr die alte Fate , sondern ein neuer Typ mit dem Namen Elysia. Wie ihr William sagte, war die Fate langsam baufällig geworden und entsprach nicht mehr den neuen Anforderungen, deshalb hatte man sie trockengelegt, was so viel hieß, dass sie an Land gezogen worden war. Wo, das hatte er Ramis nicht mitgeteilt. Überhaupt dauerte es lange, bis ihr Rücken soweit abgeheilt war, dass sie ihre Kajüte verlassen konnte. Sie stellte fest, dass ihr Sohn inzwischen zu Reichtum gelangt war. Sonst erfuhr sie wenig und auch von William bekam sie kaum etwas zu sehen, während sie in der Kabine lag, die sonst ihm gehörte. Auch wenn er da war, zeigte er sich wenig mitteilsam. Betrübt entdeckte sie, dass zwischen ihnen eine Barriere bestand, mit der sie nie gerechnet hatte. Sie hatte sich stets an die Vorstellung geklammert, dass alles perfekt und wie früher sein würde, wenn sie sich wiedersahen. Aber dem war nicht so. Der junge Mann, obgleich kein Fremder, war doch immer noch Meilen weit entfernt von ihr.
     
    Heute fühlte Ramis sich bereit, endlich aufzustehen. Ohne jemandem Bescheid zu geben - es war ja auch keiner da - verließ sie ihre Kajüte und humpelte mühsam an Deck. Dort hielt sie inne und blickte um sich. Nur noch blaues weites Meer um sie herum. Langsam atmete sie die frische Brise ein. Wie hatte Ramis sich danach gesehnt! Vielleicht konnte jetzt alles wieder wie früher werden. Nur, dass ihr Edward nicht mehr da war. Auch an Fayford wollte sie gerade nicht denken. Sie fand William auf der Steuerbrücke. Er suchte mit dem Fernglas den Horizont ab. Schnaufend trat sie neben ihn. Er drehte sich zu ihr um und wieder versetzte er ihr einen Stich. Er sah seinem Vater so verflucht ähnlich!
    "Wie ich sehe, sind nicht mehr vi ele von der alten Mannschaft da", meinte sie mit Blick auf die Männer, die sie neugierig beobachteten.
    "Ja ", antwortete William recht kühl. "Es war eine lange Zeit. Viele sind tot, einige haben sich zur Ruhe gesetzt und wenige sind noch da. Das Zeitalter der großen Piraterie ist vorbei. Sie haben alle Großen erwischt. Uns geht es in diesen Gewässern dreckig."
    "Denkst du ans Aufhören?"
    Er schüttelte den Kopf.
    "Ich war mein ganzes Leben lang Pirat. Selbst wenn ich jetzt einiges angesammelt habe, kann ich nicht ohne das alles leben."
    Unangenehmes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Was tat eine Mutter, die ihren Sohn so lange nicht gesehen hatte und der jetzt erwachsen vor ihr stand? Doch schließlich nahm sie sich ein Herz und stellte die Frage, die ihr die ganze Zeit über im Kopf herumgegangen war:
    "Wo ist eigentlich Fanny?"
    "Wie gütig von dir, dass du dich überhaupt noch an sie erinnerst!"
    Der höhnische Ton traf sie. Offensichtlich hatte sie eine wunde Stelle berührt. Es war wohl, wie sie befürchtet hatte.
    "Weißt du, sie starb vor zwei Jahren bei der Geburt eines Kindes. Unseres Kindes."
    Ramis schwieg betroffen. Immer mehr Unausgesprochenes tat sich zwischen ihnen auf. Sein Ton klang beinahe gefühllos und ihr wurde schlagartig klar, dass es einen Bereich im Leben ihres Sohnes gab, an dem sie keinen Anteil hatte und vielleicht auch nie einen haben würde. Ihr eigener Sohn war ihr fremd geworden und Fanny war tot.
    "Aber warum...?"
    "Was, weshalb sie starb oder weshalb wir ein Kind hatten? Sie starb, weil sie keinen Lebenswillen mehr hatte, als sie dich tot glaubte. Und wir haben miteinander geschlafen, weil wir Trost suchten. Ist das in deinen Augen schamlos?"
    Ramis ging nicht auf den Angriff ein.
    "Wo ist das Kind?"
    "Weg. Ich habe es in ein Kloster gegeben." Er lachte bitter über die Frage in ihren düsteren Augen. "Was hat ein Kind auf einem Schiff voller Männer zu suchen?"
    Sie unterdrückte den aufsteigenden Kummer. Für sie war er immer das kleine Kind gewesen, das sich bei Edwards Weggang tapfer die Tränen verbissen hatte, um seiner Mutter weiteres Leid zu ersparen. Sie fragte sich, was er wegen dessen Tod fühlte. Doch sie konnte es nicht

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