Dunkle Häfen - Band 2
mich ebenso scheußlich fand wie ich ihn. Sprachlos starrte ich ihm nach.
"Was war das?" , wandte ich mich an Adélaide, denn sein Verhalten war direkt unverschämt.
Diese schaute mich betroffen an.
"Oh Anne! Ich muss zugeben, ich habe Euch etwas über Euren Mann noch gar nicht erzählt. Es tut mir leid, doch ich konnte es Euch nicht früher sagen."
"Weil ich sonst die Hochzeit abgesagt hätte?" , fragte ich bitter.
"Verzeiht mir, man hat es mir verboten. Trotzdem habt Ihr ein Recht, es zu erfahren. Anne, der Herzog hat kein Interesse an Frauen. Ich denke, er ekelt sich sogar vor ihnen. Und deshalb... nun ja, er fühlt sich mehr zum männlichen Geschlecht hingezogen."
Erst da begriff ich einiges. Schockiert rief ich aus:
"Wie konntet ihr alle mir das nur vorenthalten?"
Ich war verraten und verkauft worden. Verletzt marschierte ich davon. Seitdem habe ich kein Wort mehr mit Adélaide geredet. Ich spielte wieder mit dem Gedanken, die Hochzeit abzusagen. Meine Güte, ich hätte Grund dazu. Schon öfters habe ich am Hof geflüsterte Worte über das Laster der gleichgeschlechtlichen Liebe gehört und obwohl ich es so unbenannt bei Fanny und Talamara nicht erschreckend gefunden hatte, jagt mir jetzt ein Schauder des Abscheus über den Rücken. Die Menschen hier erzählen so schreckliche Dinge und ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll. Am liebsten will ich damit nichts zu tun haben.
So habe ich also meinen zukünftigen Ehemann kennen gelernt, an dessen Seite ich leben sollte, bis dass der Tod uns scheide. Ich kann diesen Mann nicht heiraten.
Ein Bund fürs Leben
Die Kapelle, die mehr einer Kirche glich, verbreitete eine ehrfurchtgebietende Atmosphäre. Durch die leicht milchigen Fensterscheiben fiel gedämpft das Sonnenlicht herein. Auf der Empore standen zwischen zwei riesigen Säulen Höflinge und die Hochzeitsgäste. Die Empore wurde von zwei Säulenbögen gehalten, in die Engelsfiguren hinein gemeißelt waren. Die Decke war aufwändig bemalt. Wenn man ein wenig suchte, konnte man auch das Sonnensymbol und das Monogramm des Sonnenkönigs, das gekreuzte Doppel - L finden. Auch diese Kapelle war die Schöpfung von Louis, wenn auch einen neuere, was sie in ihrem Stil vom Versailler Schloss unterschied. Sie war heller und vermittelte eine tiefe Ruhe.
Auch die Braut, die zwischen den kostbaren Spitzen ihres Gewandes und ihrem imposanten Kopfputz aus Perlen und Federn fast zu verschwinden schien, wirkte äußerlich ruhig, während sie den Mittelgang durchschritt. Dennoch wirkte ihr Gesicht blasser als sonst und sie hielt den Kopf gesenkt. Ihr Aufzug war ausgesprochen prächtig, Henriette hatte mit einiger Verstärkung ihr Bestes getan.
Ramis war selbst überrascht gewesen von der Reinheit, die sie ausstrahlte. Sie trug ein cremefarbenes Kleid mit weißem Rock und golddurchwirktem Mieder. Das Weiß der Unschuld. Zum hundertsten Male befand Ramis, dass es nicht passte. Nein, ihre Augen hatten schon zu viel von der Welt gesehen, zuviel Schlechtes und ihre Hände waren zu oft in Blut getaucht gewesen. Dieses Weiß war wie eine Gotteslästerung. Jetzt starrten diese Augen abweisend vor sich hin, ohne jemanden anzusehen, ihr helles Blau war zu Eis gefroren.
Ramis wünschte, sie hätte sich in einer Trance befunden, aber sie nahm alles mit geschärften Sinnen wahr. Sie entdeckte die Kratzer und abgeschabten Stellen auf dem kunstvollen Marmorboden, die verknitterte Schleife auf ihrer Schuhspitze. Sie hörte das Getuschel der Menschen um sie herum. Es waren viel mehr gekommen als geplant und eingeladen. Eigentlich sollte es eine möglichst kurze und unauffällige Zeremonie werden, aber plötzlich wollten alle die sensationelle Hochzeit des Herzogs de Sourges, dem niemand zugetraut hätte, dass er je heiraten würde, und der merkwürdigen Fremden sehen. Es war ein offenes Geheimnis, dass diese Hochzeit erzwungen war. Das Warum war viel interessanter und lud zu Spekulationen ein. Viele Leute hatten dem Paar seine Glückwünsche überbracht. Ramis glaubte verborgenen Hohn darin zu hören. Lediglich der Marquis hatte echte Anteilnahme gezeigt. Am Arm ihres baldigen Mannes - das Einzige, was sie aus den Augenwinkeln von ihm sah - trat sie vor den Alter.
Der Herzog, elegant gekleidet und frisiert, hatte seine Braut kaum eines Blickes gewürdigt. Er warf einen kurzen Blick zum König, der hinter seiner üblichen Ausdruckslosigkeit zufrieden wirkte. Schließlich richteten sich alle Blicke auf den Pater. Ramis
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