Dunkle Häfen - Band 2
machte.
"Was fällt Euch ein!" , fauchte sie zitternd.
Einen Moment verharrte sie ged uckt wie eine angreifende Katze, im nächsten machte sie auf dem Absatz kehrt und eilte davon.
Verdutzt blickte er ihr nach, wie sie im Dunkel verschwand. Ihre Reaktion war völlig überraschend gekommen. Er hatte ihr doch nicht wehgetan und er hatte geglaubt... Aber er war sich auch über die Heftigkeit seiner Gefühle nicht im Klaren gewesen. Wie hatte es dazu kommen können? Er hatte die geheimnisvolle Meerjungfrau, die er aus den Fluten gerettet hatte, immer als Freundin betrachtet, doch stellte er fest, dass sie ihn ebenso als Frau fesselte. Für ihn glich sie der Statue einer antiken Göttin. Und er hatte sich in sie verliebt...
Am Ende dieser Woche sollte Ramis Verlobter eintreffen. Sie freute sich keineswegs auf seine Ankunft. Wusste der Glückliche überhaupt schon von seinem Glück, heiraten zu dürfen ? Ihr Herz klopfte unruhig, als sie mit Adélaide im Zimmer saß und auf ihn wartete.
"Nun macht doch kein so trübes Gesicht!" , versuchte die Französin sie aufzuheitern. "Ihr solltet Euch doch freuen!"
Besonders überzeugt klang sie allerdings nicht. Wer freute sich schon über die allseits arrangierten Ehen? Anzunehmen war auch, dass sie den Herzog de Sourges kannte und ihn weniger als eine wünschenswerte Partie betrachtete. Ramis wagte nicht zu fragen, warum. Wenn er einfach hässlich war, machte es ihr nichts aus. Er durfte sie nur nicht anrühren. Um die Mittagszeit suchte sie der Marquis auf. Seit dem Ball hatte sich etwas zwischen ihnen geändert. Er suchte neuerdings vermehrt ihre Nähe und Ramis machte das ein bisschen nervös. Er hätte gerne mehr gehabt als diese distanzierten Gespräche, doch sie gab ihm deutlich zu verstehen, dass alle Hoffnung vergebens war und er sich einer anderen zuwenden sollte. Dennoch brachte sie es nicht übers Herz, unfreundlich zu ihm zu sein, denn seinem Blick fehlte die bösartige Gier, die sie so verabscheute. Diese Gier war Menschen wie Sir Edward oder auch dem arroganten Fayford zu eigen, nicht aber dem Marquis.
Dieser wollte sie nun ungestört sprechen, deshalb gingen sie in den Garten. Schweigend ließen sie sich auf einer Parkbänke nieder, die in dem Labyrinth aus hohen Hecken standen. Ramis lauschte dem Gezwitscher der Vögel und wartete. Der Marquis beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Schließlich fasste er sich ein Herz.
"Anne, seid Ihr glücklich über Eure Verlobung?" , begann er vorsichtig.
Sie lachte bitter auf.
"Ich kenne meinen zukünftigen Mann gar nicht! Egal, was in diesen Kreisen üblich ist, wie sollte ich mich freuen?"
"So seid Ihr unglücklich?"
Ramis zupfte ein Blatt von der Hecke hinter ihnen ab.
"Was ich empfinde, ist nicht wichtig. Nur Narren lassen sich von Gefühlen leiten."
Sie überraschte sich selbst mit ihren Worten und der Bitterkeit darin. Leidenschaftlich sprang der Marquis auf.
"Dann bin ich wohl ein ausgemachter Narr!" Damit kniete er vor Ramis nieder und fasste ihre Hand.
Peinlich berührt entzog sie sie ihm.
"Ich war blind, zu übersehen, was für eine besondere Frau ihr seid. Früher habe ich es nicht gesehen und jetzt ist es zu spät..."
Er sah so verzweifelt aus, dass Ramis seine Hand wieder nahm. Ihr eigener Kummer senkte sich wieder schwer über ihre Seele.
"Bald werdet Ihr heiraten. Hätte ich doch nur früher erkannt, was Ihr mir bedeutet! Ihr hättet meine Frau werden sollen!"
Ramis Hand krampfte sich um seine.
"Sagt so etwas nicht! Ihr wisst ja nicht, was es heißt... Nein, mit mir kann niemand eine Ehe führen! Ich würde Euch nur unglücklich machen und irgendwann würdet Ihr mich hassen. Keiner sollte sich wünschen, mich zu heiraten, denn kaum einer ist ungeeigneter dafür als ich! Nein, lasst Euch nicht von Illusionen blenden! Außerdem bin ich zehn Jahre älter als Ihr. Sucht Euch eine nette Frau in Eurem Alter, die Euch mehr als ich geben kann!"
Ramis schämte sich zutiefst für die lächerlichen Tränen, die ihr die Sicht verschleierten.
"Nein, Madame! Keine könnte Euch ersetzen! Ich würde alles auf mich nehmen, um Euch lieben zu dürfen. Bitte, löst Eure Verlobung und heiratet mich!"
Es war der erste Heiratsantrag, den sie bekommen hatte, abgesehen von dem offiziellen Schreiben ihres Zukünftigen.
"Heiratet mich! Ohne Euch kann ich nicht leben!"
"Nein! Bitte vergesst es! Es gibt keine Zukunft für uns. Sucht Euer Glück ohne mich und Ihr werdet sehen, dass alles nur vorübergehende
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