Dunkle Häfen - Band 2
mitten unter ihnen leben! Doch dem stolzen Lord Fayford war ebenso klar, dass es ihm nur schaden würde, wenn er sich weigerte. Eine andere Chance hatte er nicht mehr. Er würde eben das Beste daraus machen müssen und konnte vielleicht sogar den einen oder anderen Nutzen daraus ziehen... Gute Beziehungen und offizielle Verdienste waren immer gut - und beides gedachte der Lord zu erringen. Am Ende war es ihm womöglich eher nützlich.
Bei seinem Abschied vom König war ihm keine Spur von Verstimmung anzumerken. Für diese Gelegenheit hatte er sich besonders elegant gekleidet und wusste um die Bewunderung, die seine Erscheinung hervorrief. Sein Auftritt würde den Leuten im Gedächtnis bleiben, dafür hatte er als Politiker gesorgt. Der ganze Hof beobachtete gespannt, wie dieser Mann vor den König trat. Jetzt ging Fayford zum Bedauern vieler und zur Freude ebenso vieler. Nachdem man alles Notwendige abgewickelt hatte, entließ George seinen Lord. Höflich verabschiedete er sich vom König, verneigte sich vor dem Hof und verließ festen Schrittes den Saal. Manch einer seiner Feinde atmete tief durch.
Fayford hatte schon alles für die Abreise vorbereiten lassen. Morgen in aller Frühe würde er London verlassen. Spät am Abend stand eine vermummte Gestalt an der Tür und verlangte Einlass. Wie sich herausstellte, war es eine junge Lady, die sich auf ihre Weise verabschieden wollte.
"Ich kann es nicht ertragen, dass Ihr so einfach geht!" , hauchte sie theatralisch. "Ich liebe Euch!"
"So seid Ihr gekommen, um mir die bittere Nacht meines Abschieds zu versüßen?"
"Ja... Zeigt mir, was Liebe ist!"
Er lächelte und zog sie an sich. "Das kann ich gewiss, Mylady."
Seine Reise verlief ereignislos. Er setzte über den Kanal mit einem schnellen Schiff und reiste in Frankreich weiter auf dem Wasserweg, die Seine hinunter. Es war nichts Neues für ihn, schließlich hatte er den Weg oft genommen und so blieb er in seiner Kajüte auf dem kleinen Schiff. Wie es jetzt wohl dem alten James Edward ging? Der Prätendent war im letzten Jahr mitsamt seinem jakobitischen Schattenhofstaat nach Rom umgezogen. Aus zuverlässigen Quellen wusste Fayford, dass zumindest Henry St John nicht mehr bei ihm weilte. Anscheinend hatte St John eine reiche Erbin geheiratet, die Marquise de Vilette. Obwohl Fayford sich sicher war, dass es seinen ehemaligen Freund immer noch nach der Politik dürstete, glaubte er nicht, dass er es je wieder ins Parlament schaffen würde. Nein, dazu waren die Beweise gegen den Gefallenen zu erdrückend. Er selbst, Lord Fayford, hatte seinen Kopf gerade noch rechtzeitig aus der Schlinge gezogen. Mittlerweile hatte er akzeptiert, dass George ihm mit diesem Posten eine riesige Chance bot. Wenn er diese Zeit mit Brillanz bewältigte, würden ihm die Türen in London wieder offen stehen. Das war eine erregende Aussicht.
James zog seine Handschuhe an und nahm ein Stück Papier heraus, das er im Arbeitszimmer seines Vaters auf dem Stammsitz der Familie gefunden hatte. Seit dessen Tod hatte niemand etwas in dem Raum verändert und dagegen wollte der neue Lord bei seinem letzten Besuch etwas unternehmen. Er hatte sich gewundert, dass seine Mutter, sonst die Ordnung in Person, noch nichts veranlasst hatte. Aber vermutlich wusste sie von den brisanten Dingen, die ihr Mann abgewickelt hatte und wollte keinem Diener anvertrauen, wofür ihr inzwischen die Kraft fehlte. Tatsächlich war ihr Sohn sogleich auf dieses Papier gestoßen, das in eine Ritze unter dem Kamin gerutscht war. Es war das Bruchstück eines Schreibens von Sir Edward an seinen Vater. Er wusste, dass sie beiden regelmäßig Korrespondenz geführt hatten und dass dabei strengste Geheimhaltung nötig gewesen war, denn hier wurden Intrigen gesponnen und Heimlichkeiten ausgetauscht, die beiden zum Verhängnis hätten werden können. Jetzt waren sie beide tot und sicher hatte der alte Lord Fayford alle Briefe verbrannt. Doch dieses Stück schien der Zerstörung entgangen zu sein und es gab Aufschluss über einige Ereignisse, die haarsträubender hätten kaum sein können.
Du wirst es nicht glauben, mein lieber Ro bert, was ich dir jetzt erzähle, hatte ihm sofort ins Auge gestochen. Haben wir nicht geglaubt, nie wieder von diesem irischen Natterngezücht, dieser Geißel namens O' Laughoan, zu hören? Wir dachten, dass sie seit Jahren alle ausgelöscht wären, samt der entzückenden Schottin, die nicht nur dein hartes Herz bewegen konnte. Doch es gibt wohl ein
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