Dunkle Häfen - Band 2
das Schicksal ihrer Familie rächen?
Dieses Unglück schwebte wie eine dunkle Wolke über der Verbindung der Familien. James würde in Erfahrung bringen, was wirklich geschehen war. Sein Vater hatte jedenfalls nie ein Wort davon erwähnt, obwohl es ihm sehr viel Kopfzerbrechen bereitet zu haben schien. Ohne es zu wissen, hatte James nun seine Rache vollendet und die unglückselige Irin getötet. Doch ihr Geist fand keine Ruhe, er war zurückgekommen, um Rechenschaft zu fordern. Was für eine geradezu wahnsinnige Ironie. Viele Jahre nachdem alles begonnen hatte, begegneten sich ihre Familien erneut und ohne es zu wissen, verwoben sich ihre Schicksale wieder in einer fatalen Nacht, in deren Netz sie sich immer mehr verstrickt hatten. Fayford dachte an die Angst in den Augen der Piratin, als sie sich in seiner Hand befand und er sich ihr näherte. Er hatte ihren Zwiespalt nie verstanden, aber jetzt sah er es in einem neuen Zusammenhang.
Vater, wenn du wüsstest, was für Folgen eure Taten gehabt hatten! Und was hättest du dazu gesagt, dass die schmutzigen Neigungen deines Freundes sich in einem absurden Teufelskreis wieder auf deinen Sohn auswirken? Er hat uns alle in diesen Schlund mit hineingerissen. Und da nahmen manche an, dass es kein Schicksal gab! Aber dieser Kreis war jetzt aufgebrochen, denn es war nur noch er da. Wenn er das Puzzle zusammengefügt hatte, würde er einen Schlussstrich darunter ziehen. Es hatte alle Beteiligten zu viel gekostet und klargemacht, dass sich ihre eigenen Taten letztendlich gegen sie wandten.
Und was für eine Idee der Marquis hatte! Ramis machte sich vor Aufregung über diesen kühnen Plan zitternd an die nervenaufreibende Arbeit, sich für ihren ersten Abend in der Gesellschaft seit langem herzurichten. Sie hatte sich ein paar Wochen länger krank gestellt, um Zeit zu gewinnen und das glaubhafter zu machen, was sie vorhatten. Doch jetzt musste sie wieder an den Hof, sonst würde man misstrauisch werden. Guillaume war außerdem der Meinung, dass sie dem Hof nicht länger fernbleiben durfte, sonst würde man sie ganz vergessen.
"Als ob es darauf noch ankäme!" , schnaubte Ramis. "Wisst Ihr, wie sie mich nennen? Ja, ich sehe es. Hat 'la folle', die Irre, irgendetwas zu verlieren? Mein Ansehen ist ohnehin nur eine Illusion!"
"Ihr dürft Euch nicht unterkriegen lassen, Anne. Ihr seid eine Herzogin, bedeutender als die meisten von ihnen. Und Ihr täuscht Euch, wenn Ihr glaubt, dass Ihr nichts zu verlieren habt. Es gibt viele, die Euch heimlich bewundern, allen voran unser kindlicher König. Wenn das nichts ist..."
Ramis konnte ihm natürlich nicht von Lord Fayford und ihrer Furcht, dem Engländer zu begegnen, erzählen. Aber ihr Plan war unvermeidlich, wenn sie das erhalten wollte, was sie noch hatte. Vielleicht war es auch unvermeidlich gewesen, dass sie sich wiederbegegneten. Sie hatte nicht vermeiden können, ständig an Fayford zu denken, als fessele sie eine unheilvolle Kette an ihn. Wenn Ramis Glück hatte, würde er sie niemals als diejenige erkennen, die sie war. Ansonsten musste sie es auf sich nehmen, ihn jeden Tag zu sehen, ihm unter Umständen sogar Auge in Auge gegenüber zu stehen. Sie war wie im Fieber, als sie ihre Erscheinung prüfend vor dem Spiegel betrachtete. Wie immer war Ramis Gewand schwarz, alles andere wäre verdächtig gewesen. Henriette hatte ein paar Stellen unauffällig mit Weiß und Grün gelockert, was ihrer Herrin keineswegs entging. Sie äußerte sich allerdings nicht dazu, sie konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Die Zofe rückte hier und da etwas zurecht.
"Oh Madame, ich wünschte, Ihr würdet eine modischere Farbe wählen. Ihr sehr wie ein Todesengel aus, der uns an unsere Sterblichkeit erinnert. Ich verstehe sowieso nicht, warum..."
"Henriette ", wurde sie unterbrochen. "Könntest du mit dem Schminken anfangen? Wir sind spät dran."
"Natürlich, Herrin, auf der Stelle. Trotzdem kann ich nicht akzeptieren, dass ich Eure Schönheit so verunstalten soll! Bitte haltet endlich still, ich kann keinen geraden Strich machen, wenn Ihr so zappelt. Habe ich Euch vielleicht die falsche Hautcreme gegeben und jetzt habt Ihr einen Ausschlag?"
"Ach was, nein. Stellt dir nur vor, wie alle glotzen werden, Henriette!"
Sie bekamen tatsächlich große Augen, als die Herzogin hocherhobenen Hauptes an der Seite ihres Mannes den Saal betrat. Guillaume hatte Ramis Idee bewundernswert gelassen aufgenommen, er fragte nicht einmal nach, als sie ihm
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