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Dunkle Häfen - Band 2

Dunkle Häfen - Band 2

Titel: Dunkle Häfen - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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dass sie eine liederliche Frau war und als Piratin Dutzende französische Schiffe aufgerieben hatte. Was ja auch stimmte... Aber hatte das der noble Lord nicht ebenfalls, allerdings im Dienste seines Landes? Wie viele Verbrechen wurden den Kämpfenden im Namen des Krieges vergeben? Plünderung, Mord, Vergewaltigung... nur einige Oberbegriffe für die Spielarten der Grausamkeit. Vor weniger als einem Jahrhundert hatte Europa im Dreißigjährigen Krieg erfahren, was das hieß. Es war ein Wüten ohnegleichen gewesen. Vom Krieg hatte es die Könige und Kriegstreiber dennoch nicht abgehalten. Der Spanische Erbfolgekrieg war nur eine von vielen folgenden Auseinandersetzungen gewesen.
    Was Ramis noch mehr aufwühlte als die Gefahr einer Entdeckung, war die Aussicht, ihn wiederzusehen. Das war unmöglich!
    "Marquis, als mein Freund habe ich eine große Bitte an Euch: Helft mir, von hier zu fliehen!" , rief sie verzweifelt.
    Der Marquis wurde blass.
    "Das könnt Ihr nicht tun! Mon dieu, wo wolltet Ihr denn überhaupt hin?"
    "Egal wohin, nur weg von hier!"
    "Anne, Ihr könnt nicht immer vor Eurer Vergangenheit weglaufen."
    "Wisst Ihr eigentlich, was es bedeutet, wenn er meine Identität vor allen lüftet? Denkt Ihr, mein Leben ist dann noch einen Heller wert? Man wird mich umbringen . Hängen oder bestenfalls den Kopf abschlagen, wie es einer Adligen zusteht - die niemand in mir sehen wird."
    Ihr Herumtigern wurde noch rastloser.
    "Ich saß schon in dunklen Kerkern und versuchte, nicht an den kommenden Tod zu denken und nicht verrückt zu werden! Es ist die Hölle! Aber wie könnt Ihr auch ahnen, wie es ist, in aller Augen gebrandmarkt zu sein! Wenn ich unter dem Galgen stehe... schlimmer noch, wenn ich durch die Gassen gefahren werde... sie werden Unrat nach mir werfen und mich anspucken. Sie werden mich genüsslich 'Hure' nennen und vor Genugtuung geifern. Habt Ihr schon einmal diese dreckige Menge gesehen, die sich mit ihrem Blutdurst schuldig macht? Ich habe gesehen und niemals vergessen können!"
    "Anne, beruhigt Euch! Noch weiß keiner von Eurer Vergangenheit! Aber denkt doch einmal an Charlotte. Könnt Ihr sie verlassen?"
    "Kommt mir nicht damit! Ob ihre Mutter tot ist, oder geflohen, macht keinen Unterschied. Ich kann sie ja mitnehmen."
    "Auf diesen gefahrvollen Weg? Schon allein ist das Wahnsinn..."
    "Ich kann mich durchschlagen. Das tun viele, Monsieur, falls es Euch je aufgefallen ist."
    "Kinder brauchen Stabilität, Madame."
    Ramis schwieg betroffen. Ihr ganzes Leben brach immer wieder in einem Trümmerhaufen zusammen, weil sie keine Anhaltspunkte und keine Heimat hatte. Der Wunsch danach war übermächtig und schließlich zerstörend gewesen. Jede Brücke, die sie schlug, stürzte in sich zusammen. Konnte sie dieses Schicksal ihrer Tochter zumuten, der sie einst einen Eid geschworen hatte? Doch gab es einen anderen Weg? Sie würde dem Lord niemals gründlich genug aus dem Weg gehen können.
    "Wartet wenigstens mit einer Entscheidung, bis wir nachgedacht haben. Vielleicht fällt uns etwas ein."
    Ramis gab nach und so überlegten sie fieberhaft. Ein paar Ideen wurden durchgekaut und wieder verworfen. Ein Rückzug auf ein Landgut? Zu verdächtig und zu schwierig, da der Regent seine Zustimmung sicher verweigern würde. Ein Mord? Unmöglich. Der Lord war zu schlau. Sich im Haus verstecken? Auch nicht gut, da zu langwierig. Wie lange würde der Botschafter eigentlich hier bleiben?
    "Zu lange ", meinte der Marquis.
    Ihre Hoffnung schwand mit der Zeit, in der ihnen nichts einfiel.
    Plötzlich sprang der Marquis auf und erklärte gedehnt: "Ich hätte da eine Idee..."
     
    Lord Fayford kochte vor Wut, als er vom Beschluss des Königs unterrichtet wurde. Ein Gouverneursposten sei im Moment leider nicht frei, teilte man ihm mit. Doch wenn er beabsichtige, für eine Weile ins Ausland zu gehen und große Verantwortung zu übernehmen, dann habe man genau das Richtige für ihn: Botschafter in Paris. War das etwa ein Amt für ihn, das ihm angemessen war? Gewiss war es eine Sache, die Geschick und Verantwortung erforderte, deshalb hatte man Fayford wohlweislich dafür ausgewählt, aber vor allem wollte man ihn fort haben! Die Whigs waren jetzt im Unterhaus an der Macht und sie wollten alle Tory-Sympathisanten loswerden. Ihnen musste bewusst sein, dass Paris nicht das Ende der Welt und er nicht weit genug weg war, aber immerhin ein Stück von London entfernt. Er hatte im Krieg gegen die Franzosen gekämpft und jetzt sollte er

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