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Dunkle Häfen - Band 2

Dunkle Häfen - Band 2

Titel: Dunkle Häfen - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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sagte, dass sie einen Schleier tragen wolle. Vielleicht hielt er es für eine neue Marotte, vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall schien er es als Ramis Angelegenheit zu betrachten.
    Heute Abend waren viele Leute gekommen, es gab einen bedeutenden Anlass zu feiern, aber Ramis hatte ihn schon wieder vergessen. Es wurde ihr wieder bewusst, als ihr Mann auf ein Paar zusteuerte, das sich offensichtlich verlobt hatte. Einer der beiden musste ein Mitglied der Königsfamilie sein, Ramis tippte auf die junge Frau, die sie schon öfters in der Oper in den Rängen besagter Familie gesehen hatte. Die Herzogin sah sich verstohlen um, während Guillaume das Paar begrüßte.
    "Oh, Madame de Sourges, was i st denn mit Euch passiert...?" Die erschrockene Frage ließ sie zusammenzucken.
    Ihr Blick kehrte zu den Verlobten zurück und sie stellte fest, dass sich unversehens eine Menschentraube um sie gebildet hatte. Ramis Hand fuhr irritiert an den schwarzen Schleier, der ihr ganzes Gesicht bedeckte. Sie nestelte daran herum, um festzustellen, ob er noch am rechten Platz war. Die Idee des Marquis hatte sich bis vor kurzem noch so einfach und leicht durchführbar angehört, aber jetzt... Würde nicht jeder den Schwindel durchschauen? Und sie hatte vorher auch nicht gewusst, wie sehr dieses Stück Stoff störte. Auch wenn es so dünn und durchsichtig war, wie es in Anbetracht der Situation möglich war, so behinderte es ihre Sicht und sie fühlte sich wie ein blinder Maulwurf. Selbst die Stimmen drangen seltsam gedämpft an ihr Ohr. Ihre Hand umklammerte den Arm ihres Gatten unwillkürlich fester.
    "Ist das neue Mode, verehrte Dame?" , fragte ein älterer Herr.
    Kaum merklich hol te Ramis Luft.
    "Nein, leider nicht. Etwas anderes zwingt mich, diesen Schleier zu tragen. Ein dummes und höchst bedauerliches Missgeschick. Während meiner Krankheit hing stets eine Lampe an meinem Bett, um mir ein wenig Licht zu spenden. Doch eines Nachts fiel sie herunter und steckte das Bett in Brand. Ich schlief zu diesem Zeitpunkt... Ja, als ich aufwachte, war es nicht zu spät, um mein Leben zu retten, doch für mein Gesicht und meine Haut kam es zu spät... Ich habe überall Brandnarben zurückbehalten, die wohl nie wieder verschwinden werden..."
    "Das ist ja schrecklich!"
    "Oh, I hr arme Frau! Was für ein tragisches Unglück!"
    "Wenn ich mir vorstellen würde, dass ich ..."
    Äußerlich ungerührt nahm sie die Beileidsbekundungen an, aber innerlich war ihr, als wäre ihr Gesicht wirklich verstümmelt und sie müsste die verborgene Schadenfreude oder das ätzende Mitleid ernst nehmen.
    Wie die Aasgeier, assoziierte sie. Sobald ich weg bin, werden sie sich die Mäuler zerreißen. Ein brennendes Bett? Wie kann man denn so unvorsichtig sein?
    Ramis schaffte es erst, die ganzen Neugierigen und Anteilnehmenden abzuschütteln, als neue Gäste auftauchten, die die Leute in Anspruch nahmen. Guillaume hatte sich schon längst verdrückt und so stand sie wieder da. Sie konnte weder den Marquis noch den Lord entdecken und so entspannte sie sich ein wenig. Eine Weile stand sie vor der riesigen Tafel, auf der sich das Essen türmte. Sie schob ihren Schleier zur Seite, um die delikaten Speisen zu betrachten, die wie kleine Kunstwerke aussahen. Auf mit Früchten garnierten Platten lag da weißes oder rotes Fleisch, mit allerlei exotischen Soßen. Dazwischen Schalen mit Trauben oder kleinen Aperitifs. Als Nachtisch lagen Berge von kleinen Kuchen und Pralinen bereit. Silberne Karaffen sollten den Durst der Gäste stillen. Kein Zweifel, um den Gaumen zu erfreuen, gab man ein Vermögen aus. Wegen des großen Andrangs war auf Stühle verzichtet worden, Diener würden die Leute mit dem Nötigen versorgen. Doch so köstlich alles auch angerichtet war, Ramis rebellierender Magen ließ erst gar kein Hungergefühl entstehen. Bald zog sie sich in eine Ecke zurück und starrt e blicklos ins Getümmel. Die Kronleuchter schimmerten und glitzerten mit ihren Hunderten von glasklaren Anhängern. Die Musikkappelle begann zu spielen, als das Fest eröffnet wurde. Die plätschernde Unterhaltungsmusik machte sie nur noch müder. Wo blieb nur der Marquis? Er hatte ihr versprochen, an diesem lebenswichtigen Abend pünktlich zu kommen. Es musste etwas dazwischen gekommen sein, sonst hätte er sie nicht sitzen lassen.
     
    Mit dem fortschreitenden Abend wurden die Gespräche intensiver, die Gesten hektischer. Der atemberaubende Schmuck und die prächtigen Gewänder der Crème de la Crème

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