Dunkle Häfen - Band 2
hingebungsvoll die Hand zu küssen. Wie immer hatte er sie damit in den Mittelpunkt gerückt und die Leute warteten auf eine weitere Szene von dem skandalträchtigen Paar. Auch Fayford beobachtete sie. Seine Miene war verschlossen und zeigte nicht, was er dachte, er schien allerdings mehr Interesse am Marquis zu finden.
"Verzeiht mir vielmals, Madame Anne, dass ich zu spät gekommen bin. Wenigstens kann ich Euch versichern, dass es nicht meine Schuld ist. Nein, Schuld daran hat nur dieser hirnlose Barbar!"
Es war deutlich erkennbar, auf wen der 'Barbar' abzielte.
"Ich werde es verkraften können ", meinte Ramis leicht amüsiert über diesen Ausdruck.
Der Marquis erzählte ihr , was passiert war. Er war pünktlich - nein, wie hätte er in dieser Situation zu spät kommen und seine Angebetete alleine lassen können! - am Palast angekommen. Seit dem frühen Abend hatte es zu regnen begonnen und der Weg schwamm in Pfützen. Er war also ausgestiegen, extra vorsichtig und wollte ins Trockene eilen, als eine Kutsche an ihm vorüberschoss und ihn klatschnass und schmutzig machte.
"Der Volltrottel ist einfach weitergefahren!" , fluchte der Marquis. Er hatte erst zurückkehren und sich umziehen müssen, deshalb die Verspätung. "Ich bin mir sicher, dass dieser Engländer darin saß!"
Aber der leugnete das. Der Marquis müsse sich eben getäuscht haben. Wieso solle er auf dem Hof so herum preschen, hatte der Lord gefragt. Das empörte den Marquis grenzenlos.
"Ich habe doch Augen im Kopf! Das hat er mit Absicht gemacht!"
Ramis hätte gerne gewusst, was er zum Schluss zu Fayford gesagt hatte, unterließ es aber, da sie den Marquis nicht noch mehr aufregen wollte. Nicht, dass er Fayford zu einem K ampf herausforderte. Sie bat den Marquis, ihr ihren Schal aus der Kutsche zu holen, weil ihr kalt sei. Sie hatte ihn vorher dort gelassen, weil sie ihn nicht brauchte, doch er bot einen guten Vorwand, um den Marquis zur Abkühlung fortzuschicken. Ritterlich machte er sich auf der Stelle auf den Weg.
"Wer ist eigentlich diese verhüllte Frau dort, die ganz in Schwarz gekleidet ist?"
Fayford deutete mit einer Kopfbewegung in Richtung der Dame, mit welcher der junge Hitzkopf gesprochen hatte. Nun stand sie wieder alleine da. Der Schleier bedeckte ihr ganzes Gesicht und ließ nur die Perücke und den Kopfputz sehen. Ihm war, als hätte sie eben noch zu ihnen gestarrt. Die Comtesse musste gar nicht hinschauen, um zu wissen, um wen es ging. Missgünstig legte sie ihre Hand auf den Arm des Lords.
"Die da hinten meint Ihr? Oh, das ist nur 'la folle', Monsieur. Sie ist sozusagen unsere Hofverrückte." Sie ließ ihr wohlklingendes Lachen hören. "Die Arme ist vollkommen von Sinnen. Manche halten sie für harmlos, aber das ist sie nicht."
Wütend verzog sich ihr Gesicht, als sie an ihre Zusammenstöße mit der De Sourges dachte. Lord Fayford, der ein aufmerksamer Beobachter war, entging ihre Reaktion nicht.
"Vor kurzem hätte sie sich beinahe selbst abgefackelt, wahrscheinlich in einem Anfall von Wahnsinn oder dem Gefühl, so nicht mehr weiterleben zu können. Jetzt muss sie einen Schleier tragen, um ihr entstelltes Gesicht zu verhüllen. Immerhin war sie auch vorher nicht sonderlich ansehnlich, daher hat sie nicht so viel verloren."
Sie bedachte ihre alte Feindin mit einem boshaften Lächeln.
"Und wer ist sie?"
"Spielt das denn eine Rolle? Sie ist ein dahergelaufener Niemand..."
"Ich habe Euch eine Frage gestellt." Eine eigenartige Schärfe lag hinter dem charmanten Tonfall.
Er benahm sich etwas zu herrisch, stellte die Comtesse wieder einmal fest. Außerdem missfiel ihr sein Interesse an 'la folle'.
"Sie ist die Herzogin de Sourges. Pah! Um diesen Titel zu bekommen, hat sie sich mit viel Mühe einen anormalen Herzog geangelt."
"Danke für Eure reizende Auskunft, meine Liebe. Ich sehe, ihr seid eine offenherzige Frau."
Sie überlegte, ob das als Spott gemeint war. Sicherheitshalber stimmte sie in sein Lachen ein. Spöttisch wanderte sein Blick über ihren 'offenherzigen' Ausschnitt. Dennoch unterschätzte er diese Dame nicht. Sie hatte durchaus großen Einfluss und war ein nützlicher Kontakt. Dass sie auch andere Vorzüge hatte, war ebenfalls nicht zu verachten.
Eine Gruppe von Männern und Frauen näherte sich ihnen und Fayford vergaß die seltsame Krähe in ihrem Eck wieder. Sein neues Amt hatte sich als spannender erwiesen als zuvor angenommen. Wenn man wusste, wann man zu lächeln und zu scherzen und wann man ernst
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