Dunkle Häfen - Band 2
funkelten wie in einem Rausch. In Ramis Bauch rumorte es und ihre Anspannung wurde immer größer. Inzwischen war auch Seine Majestät, der kleine Louis, in Begleitung des Regenten erschienen. Dann öffnete sich die große Flügeltür ein weiteres Mal, um einen verspäteten Gast einzulassen. Ihr Atem stockte, als sie den eleganten Staatsmann erkannte. Auf den ersten Blick erkannte sie ihn. Mit seiner lässigen Anmut zog er sämtliche Blicke auf sich und die Leute begannen zu tuscheln. Lord Fayford hatte es unter seiner Würde empfunden, sich nach der französischen Mode zu kleiden und obwohl die englische Mode gerne ein Vorbild daran nahm, wurde der Unterschied erst hier offenbar. Im Grunde genommen hatte er sich wenig verändert. Die letzten sieben Jahre schienen ihn kaum berührt zu haben, aus dieser Entfernung konnte sie keinen Unterschied feststellen. Wie früher stellte er seine wirkungsvolle Männlichkeit zur Schau. Und die ehemalige Piratin hatte vergessen, welche Wirkung dieser Mensch entfalten konnte. Angewidert bemerkte sie den Ausdruck in vielen Gesichtern. Aber wie konnten sie auch wissen...? Er überbrachte den Gastgebern auch im Namen seines Landes Glückwünsche.
"Ah!" , seufzte eine ältere Dame, die geschmacklos grell geschminkt war. "Könnte man noch einmal jung sein! Und ich dachte, alle Engländer wären hässlich! Was für ein Gott..."
Ramis schnaubte ein bisschen zu laut. Die Dame drehte sich um.
Du könntest selbst einen Gott gebrauchen, der deine v erbrauchte Schönheit auffrischt! sagte Ramis in Gedanken zu ihr.
Als die Andere ihre Aufmerksamkeit wieder nach vorne richtete, beobachtete Ramis erneut ihren Feind. Sie staunte, wie perfekt er sein Wesen verbarg, fast hätte sie glauben können, dass er sich geändert hatte, seit er sie für tot hielt. Doch ihr war aufgefallen, dass ein hauchfeines Anzeichen von Überheblichkeit in seinem Lächeln lag, als er den König begrüßt hatte. Sie erinnerte sich daran, dass er maßgeblich am Krieg gegen Frankreich beteiligt gewesen war. Nein, er hatte sich nicht verändert. Sein Hochmut, der sie bis aufs Blut reizte, war ihm nicht abhanden gekommen. Plötzlich fiel Ramis auf, dass er in ihre Richtung schaute, als hätte er den bohrenden Blick gespürt, der ihm überall hin folgte. Aber gleich darauf wandte er ihn gleichgültig wieder ab und sie atmete auf. Er hatte ihre Verkleidung nicht durchdrungen, wie sie sofort befürchtet hatte. Erleichtert lehnte Ramis sich an die Fensterbank hinter sich, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Sie staunte immer wieder über sich selbst. Wie war es möglich, dass es soweit hatte kommen können? Wie konnten sie sich wieder im gleichen Raum befinden? Sie überlegte, ob sie nicht schnellstens wieder gehen sollte. Es hatte keinen Sinn, hier zu bleiben, von ihrer Anwesenheit nahm ohnehin keiner Notiz.
Doch Ramis Plan wurde vom Marquis vereitelt, der just in diesem Augenblick eintraf. Schwungvoll stürmte er zur Tür herein, wobei er fast einen der Lakaien umwarf. Er wirkte höchst aufgebracht und schien vergessen zu haben, dass er den Gastgebern und dem König seine Aufwartung machen musste. Einzig die Tatsache, dass das frischverlobte Paar direkt beim Eingang stand, erinnerte ihn an die Obligationen der Gesellschaft. Aber nachdem er seinen Pflichten genüge getan hatte, überging er den König einfach, weil er in der Menge jemand anderen entdeckt hatte. Wie Ramis mit wachsendem Unbehagen erkennen musste, handelte es sich dabei um niemand anderen als Fayford, der in ein Gespräch mit der Comtesse de Magnon vertieft war, eine Kombination, die ihr sowieso schon Bauchschmerzen bereitet hatte. Jetzt zog ihr junger Freund Fayford an der Schulter herum und fuhr ihn augenscheinlich sehr forsch an. Fayford schob seine Hand weg und antwortete etwas, was den Marquis noch wütender machte. Er machte den Eindruck, als wolle er gleich mit einem Degen auf den Engländer losgehen. Nun mischte sich auch die Comtesse ein und gab wohl einen ihrer spitzzüngigen Kommentare von sich. Der Marquis warf ihr einen vernichtenden Blick zu, zischte dem Lord etwas zu und ließ sie anschließend stehen. Zielsicher machte er Ramis in ihrer Ecke aus.
Er kommt hierher! Mein Gott, du Trottel, lenk die Aufmerksamkeit nicht auf mich!
Doch genau das tat er. Ohne daran zu denken, dass sie die Beachtung der Leute zu diesem Zeitpunkt am allerwenigsten gebrauchen konnte, kam er energisch auf sie zu. Selbst in seiner Wut brachte er es fertig, ihr
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