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Dunkle Häfen - Band 2

Dunkle Häfen - Band 2

Titel: Dunkle Häfen - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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zu sein hatte, unterschied sich der Umgang nicht sehr von dem am englischen Hofe , es war nur noch prachtvoller in Paris. An die Franzosen hatte er sich schnell gewöhnt. Und man gestand ihm mehr Spielraum zu, als er bei George und seinem Parlament vermutet hätte. Man ließ den Botschafter seine Gespräche und Abmachungen führen, wie er wollte, solange es im Interesse der Krone geschah. Wie er die anfallenden Probleme löste und sich nützliche Bekanntschaften eintrug, blieb ganz ihm überlassen. Auch wenn auf diesen zahlreichen festlichen Anlässen und Einladungen zuweilen Langeweile aufkam, so war er hier doch ganz in seinem Element.
     
    Ramis hatte indessen Adélaide entdeckt, die neben ihrem Ehemann stand. Sie redeten weder miteinander noch mit den anderen. Adélaide war sichtbar blass und unglücklich. Ramis wollte zu ihr gehen und sie trösten, aber als sie an der betreffenden Stelle ankam, war nur noch der alte Graf dort und starrte ihr missmutig entgegen. Ramis schwante, dass ihre Freundin nicht mit ihr reden wollte. Sie hatten sich lange nicht gesehen; wollte Adélaide nun nichts mehr mit 'la folle' zu tun haben? Verletzt kehrte Ramis an ihren angestammten Platz in der Ecke zurück. Immer wieder wanderten ihre Augen misstrauisch zu Fayford, der sich weiterhin in der Gesellschaft der Comtesse befand und sich prächtig amüsierte. Ramis ärgerte sich zunehmend über alles. Der Schleier wurde immer störender und machte sie ganz zappelig. Ihr Atem staute sich an dem Gewebe mit den winzigen Löchern und durchnässte es. Unruhig nestelte sie daran herum und versuchte sich Luft zuzufächeln. Im Saal war es inzwischen stickig geworden, viel zu heiß für ihr hochgeschlossenes Kleid, das ihr am Körper klebte. Kleine Bäche rannen ihr am Rücken und zwischen den Brüsten herunter. Wenn jetzt auch noch die Schminke verlief! Kunstvoll hatte Henriette ihrer Herrin künstliche Narben auf die Haut gepinselt, die unter dem Schleier als schemenhafte Schatten erkennbar waren. Ramis war vollkommen mit ihrer Verkleidung beschäftigt und erschrak deshalb umso mehr, als sie Lord Fayford gewahrte, der vor ihr stand und darauf wartete, dass sie ihn bemerkte. Zuerst hielte sie es für eine Wahnvorstellung, aber er war es wirklich.
    Er hatte beschlossen, sich diese vermummte Frau doch einmal näher anzusehen. Nach den feindseligen Bemerkungen der Comtesse de Magnon schien sie interessanter zu sein, als zu vermuten war. Außerdem starrte die Unbekannte ihn schon den ganzen Abend an, er glaubte sogar zu spüren, dass es sehr feindselig war. Tatsächlich zeigte ihre Reaktion und ihre ganze Körperhaltung eine fast greifbare Anspannung. War sie wirklich verrückt? Es störte ihn, dass er ihr Gesicht nicht sehen konnte, so konnte er ihre Absichten nicht erkennen. Überhaupt war ein gesichtsloser Mensch irritierend. Er war durchaus darauf gefasst, dass sie ihn im nächsten Augenblick angreifen würde. Aber sie rührte sich nicht.
    "Guten Tag, Madame de Sourges ", sagte er in sauberem Französisch.
    Er sah, wie ein Schaudern durch den schwarzen Stoff ging.
    "Ich bin Lord Fayford, falls Ihr das nicht schon erfahren habt, der neue englische Botschafter hier."
    Sie schwieg. Doch dann erklärte sie laut und deutlich:
    "Geht bitte weg. Ich will nicht mit Euch sprechen."
    "Madame, habt Ihr irgendeinen Grund für Eure Abneigung? Wenn ja, so nennt ihn mir. Ich bin mir nicht bewusst, dass ich Euch je beleidigt hätte."
    Der Laut, den sie von sich gab, ähnelte beinahe einem Lachen. Ihre Verrücktheit machte sie fast unheimlich. Abweisend und undurchdringlich wie ein schwarzer Felsblock stand sie vor ihm.
    "Was wollt Ihr von mir?"
    "Warum so feindselig? Ich wollte nur mit Euch reden. Ist das verboten?"
    Er versuchte unter dem Schleier mehr zu erkennen als die verschwommenen Konturen eines Gesichts.
    Ramis war froh, dass ihre steifen Reifröcke ihre zitternden Knie verbargen. Sie unterdrückte den übermächtigen Impuls, zurückzuweichen und den nötigen Abstand zwischen sie zu bringen. Seine brennenden Augen waren viel zu nah.
    "Wisst Ihr nicht, dass ich verrückt bin? Wer spricht denn schon freiwillig mit 'la folle'?"
    "Ihr spottet über Euch, um mich abzuschrecken. Ich denke nicht, dass Ihr so verrückt seid wie Ihr behauptet. Vielleicht in einer anderen Art."
    "Woher wollt Ihr das wissen? Ihr kennt mich gar nicht..."
    "Nein, das nicht. Nur geben die richtig Verrückten selten zu, dass sie verrückt sind. Sie wissen es selbst nicht und halten

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