Dunkle Häfen - Band 2
ich von ganz vorne an. Aber wo ist vorne? Wo hat diese Verrücktheit angefangen? Das geht entschieden zu weit.
So beginne ich mit dem Tag vor gut einer Woche, als Guillaume zu mir kam. Ich lungerte im Salon herum und drangsalierte die Dienstboten, indem ich mich über sie beschwerte und sie hierhin und dorthin schickte. Leider muss ich zugeben, im Nachhinein wurde ich an Lady Harriet erinnert, als ich über mein Verhalten nachdachte. Doch ich hatte einen Grund für meine tyrannische Stimmung, denn ich fühlte mich wie ein eingesperrtes Tier, das von unsichtbaren Mauern in seinem Käfig gehalten wurde. In Wahrheit war es die Angst, die mich in dieser sicheren Bastion hielt. Angst vor dem, was da draußen auf mich lauerte. Seit dieser Monat angefangen hat, habe ich aufgehört, in die Tuilerien zu gehen. Besuch bekam ich nur vom Marquis und Adélaide. Sie breiteten vor mir die Neuigkeiten vom Hof aus, egal ob ich das wollte oder nicht. Natürlich kursierten derzeit die meisten Gerüchte über Fayford, der mich auf diese Weise bis in dieses Haus verfolgte. Der Marquis schilderte mir mit Todesverachtung, wer denn heute schon wieder zu oft und zu dicht bei dem Engländer gesehen worden war - ich fragte mich nur, warum er sich dann einfach nicht darum kümmerte. Jedenfalls bemühte ich mich wieder um ein zurückgezogenes Leben, was natürlich schon von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Kaum genoss ich die himmlische Ruhe meines Raumes, meldete sich bereits der Nächste, der irgendetwas wollte. In diesem Fall handelte es sich um Guillaume, der mir eine überraschende Bitte antrug.
"Ma chère, es tut mir sehr leid, dass ich Euch diese Last aufbürden muss."
Allein dieser Satz zeigte schon, dass es sich keineswegs um eine Bitte handelte, sondern um eine feststehende Tatsache. Ich blickte ihn an, wie er da vor mir stand und bedauernd die Achseln zuckte. Ich legte das Buch beiseite, in dem ich gerade gelesen hatte, nachdem ich die Stelle, an der ich gerade war, mit einem Papierschnipsel markiert hatte.
"Was ist denn jetzt wieder los? Eurem Gesicht nach zu urteilen, ist es etwas Unangenehmes..."
"Nun ja, wie man es nimmt. Ich werde einige Leute vom Hof hierher einladen müssen."
Ich hatte mich nie besonders für die internen Hofangelegenheiten interessiert, soweit sie mich nicht direkt betrafen.
"Einige? Was heißt das? Und ist das denn so wichtig?"
Wir hatten eigentlich nie gemeinsame Gäste gehabt, sicher weil Guillaume wusste, was für eine lausige Gastgeberin ich sein würde. Vielleicht hatte er auch niemanden gehabt, den er zu mir einladen konnte. Mein Mann runzelte sorgenvoll die Stirn.
"Ich würde das alles gar nicht in Erwägung ziehen, wenn es nicht so dringend wäre. Ich kenne Euch ja. Doch am Hofe ist etwas im Gange, Anne. Ich fürchte, da hat sich Unmut gegen uns breitgemacht. Ich habe neuerdings sehr viele Feinde, zu viele und zu einflussreiche, wie mir scheint. Einige hohe Persönlichkeiten könnten dazu gehören."
"Der König? "
"Nein, ich tippe eher auf den Regent en. Louis ist noch ein Kind. Zu allem Übel haben wir inzwischen gemeinsame Feinde, das heißt, wenn sie einem schaden wollen, müssen sie uns beide fertig machen. Der Regent war schon seit jeher mein Feind, wie Ihr sicher wisst. Glaubt nicht, dass ich nicht mitbekommen habe, was er von Euch erpressen wollte. Ich bin Euch trotzdem sehr dankbar, dass Ihr Euch so loyal gezeigt habt, obwohl Ihr keinen Grund dazu hattet."
"Weniger loyal, eher beleidigt. Es schien mir auch unverantwortlich, jemand en an diesen Schuft zu verraten."
"Ihr urteilt sehr hart über D'Orléans. Aber ich habe selbst auch nicht mehr Gründe, ihn zu mögen. Die Feindschaft geht auf die Zeit zurück, als sein Vater noch lebte, der Bruder des Sonnenkönigs. Ich... ach nein, ich erzähle Euch die Geschichte später. Es würde bei Euch auch nur Missfallen und Abscheu erregen. Falls Ihr seinen Ruf kennt..."
"Ich kenne ihn."
"Na dann. Jedenfalls habe ich fast das Gefühl, dass viele uns inzwischen als erschreckende Bedrohung ansehen. Vor allem Euch."
"Mich? Das darf ja wohl nicht wahr sein!"
"Ihr habt mehr Einfluss, als Euch bewusst zu sein scheint. Ist Euch denn nicht bekannt, wie viel Ihr dem jungen König bedeutet? Jeder kann sehen, dass er einen Narren an Euch gefressen hat und keiner findet eine Erklärung dafür. Er fragt bald jeden Abend nach Euch."
"Ich kann am allerwenigsten dazu sagen. Ich bin ihm in Versailles begegnet, als er noch nicht einmal fünf
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