Dunkle Häfen - Band 2
Schirme mit Drachen bemalt waren. Die Platten mit Essen, die selbst dem Koch der Tuilerien alle Ehre gemacht hätten, standen in der Küche bereit. Für die anschließende Geselligkeit hatte ich kleine Tische aufstellen lassen, auf denen später Digestifs drapiert werden sollten.
Guillaumes Sprachlosigkeit war eine wahre Genugtuung, denn ich hatte mich selbst übertroffen. Er war ganz begeistert und trieb sogar noch zusätzlich exotische Pflanzen auf, von denen manche hüfthoch waren, andere ragten bis über den Kopf. Ihr schwerer Duft verteilte sich betörend im Raum. Nachdem ich mich zum tausendsten Male überzeugt hatte, dass alles an Ort und Stelle war, zog ich mich zurück, um mich umzuziehen. Ich glaube, Guillaume war beinahe noch nervöser als ich. Dabei hängt das Gelingen eines Festes eher von der Gastgeberin ab, denn sie wird allgemein als für den Haushalt zuständig betrachtet und so laufen alle Fäden bei ihr zusammen. Henriette wartete ungeduldig auf mich. Sie hatte mein auserwähltes Gewand schon sorgfältig ausgebreitet. Nein, es war kein schwarzes Kleid. Es war in einem zartem Pastellgelb gehalten und aus reiner Seide, die ich dauernd anfassen musste, so wunderbar fühlte sie sich an. Meine Schneiderin hatte ein wahres Wunder vollbracht und ein Kunstwerk erschaffen, das vorzüglich zu meinem neuen Salon passte. Vom Ausschnitt an floss ein mit Diamantsplittern besetztes Spitzentuch über den Bauch und um die Hüfte, wo es sich verbreiterte und den hinteren Teil des Rockes bedeckte wie ein Überrock. Henriette malte mir die roten Male auf meine Haut und legte anschließend einen Schleier darüber, der von derselben Farbe wie das Kleid war. Der Schleier wand sich um meinen Kopf und fiel vom einem mit Blumen besetzen Reif herunter, der die hochgesteckte Frisur hielt. Als alles fertig war, half Henriette mir hoch und führte mich vor den Spiegel. Ich schluckte. So war ich mir noch viel fremder als sonst in der Hoftracht. Das Dekolleté war viel weiter als ich es für angenehm gehalten hätte. Durch den Schleier schimmerten die roten Male wirklich wie Narben.
"Ihr seid keineswegs abstoßend mit dieser Farbe, Madame. Vielmehr seht Ihr geheimnisvoll aus, so fremd wie die Ausstattung Eures Salons. Wir haben alle vergessen, wie schön und jung Ihr in Wirklichkeit seid."
"Henriet te, ich gehe auf die Vierzig zu", mahnte ich sie. "Als jung wird mich keiner mehr bezeichnen."
"Aber Ihr erstrahlt wie die Sonne oder wie der unberührte Mond."
Trotz aller Übertreibungen seitens meiner Zofe, die außer sich war, weil sie mir wieder ein farbiges Kleid anziehen konnte, nach dem sie sich so lange gesehnt hatte, konnte sich Guillaume mit mir sehen lassen. Fühlte sich so eine Königin, wenn sie in ihrem Hofstaat eine breite Treppe herunter geschritten kam? Das Haus glich selbst einem Palast, so verwandelt war es. Unsere Diener trugen ihre Livree und standen wie Statuen parat. Guillaume erwartete mich unten. Auch er hatte sich prächtig herausgeputzt, jedoch darauf geachtet, nicht zu protzig aufzutreten.
"So, wie Ihr ausseht, haben wir sie schon alle in der Tasche!" , strahlte er. "Ihr lasst es mich doch tatsächlich bereuen, dass ich mich nicht an die Frauen gehalten habe. Kein Mann könnte Euch an Schönheit übertreffen."
"Warum lügen alle, nur um zu schmeicheln? Ihr seid ja bald so schlimm wie der Marquis! Der Hof ist voll von klassischen Schönheiten, die nicht wie ich mit all meinen Fehlern und dem anmutigen Getue zu kämpfen haben!"
"Ihr irrt. Diese Schönheiten, die Ihr erwähnt, sind zu zahlreich. Ihnen fehlt der Reiz, weil sie am Hof nichts Besonderes sind. Aber Ihr seid auf eine ganz eigentümliche Art faszinierend, Ihr gleicht einem ungezähmten Wildpferd."
"Guillaume! Das hört sich an, als müsste man mich zähmen!"
"Ich habe das wirklich nicht abfällig gemeint. Euch kann man wirklich keine Komplimente machen, selbst in der ehrfürchtigsten Lobrede würdet Ihr noch eine Beleidigung finden."
Damit hatte er wohl recht, denn ich glaubte mich stets sofort zu verteidigen müssen. Immer unruhiger werdend, spielte ich mit meinem Collier. Plötzlich fiel mir ein, dass ich gar nicht daran gedacht hatte, die Gästeliste durchzugehen. Das hatte ich ganz Guillaume überlassen.
Es war ein Fehler, den eine Gastgeberin niemals machen sollte, wie sich bald herausstellen sollte. Doch schon meldete ein Diener die ersten Gäste an. Es war ein Graf mit seiner Frau und ein verwitweter Herzog. Sie machten mir
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