Dunkle Häfen - Band 2
gewesen ist - und seitdem scheint er mich zu mögen."
"Anne, da ist noch mehr. Leider kann ich Euch nichts darüber sagen. Ihr solltet jedoch doppelt so sehr aufpassen, wenn Ihr an den Hof geht. Es kann gefährlich werden."
Ich hatte einen trockenen Mund bekommen. Der Brief! Was wusste Guillaume denn, was ich selbst nicht wusste?
"Was ist da noch? Ihr solltet es mir sagen! Wie kann ich mich schützen, wenn ich keine Ahnung habe, weshalb und wovor! Ihr könnt mir bedingungslos trauen. Man kann mir viel vorwerfen, aber nicht, dass ich wissentlich meine Freunde verraten habe..."
"Es geht nicht. Eines Tages werdet Ihr womöglich erkennen, warum."
Ich war nahe daran, ihn auf den Brief des Königs anzusprechen. Doch ich hielt mich zurück.
"Nein, Guillaume, ich bin keiner von den Menschen, die lieber im Ungewissen bleiben!"
"Versteht endlich! Es ist unmöglich! Werdet Ihr mit dennoch helfen? Wir brauchen Freunde!"
Wo sind alle deine alten Freunde hin verschwunden, die dich immer umschwirrt haben, als du noch in der Gunst des inzwischen verstorbenen Königs standest? fragte ich ihn im Stillen. Und was ist mit deinen zahlreichen Favoriten, die sich in deinem Glanz gesonnt haben?
"Ich soll Gastgeberin sein? Habt Ihr eine Ahnung, worauf Ihr Euch da einlasst? Ich habe keinen blassen Schimmer, wie das gehen soll! Sicher werde ich Euch helfen, da ich Euch einiges eingebrockt habe. Aber Ihr müsst dabei in Kauf nehmen, dass ich meinen Schleier unmöglich ablegen kann!"
"Wie Ihr wünscht, obwohl ich Eure Gründe dafür immer noch nicht verstehe."
Natürlich war es ihm nicht verborgen geblieben, dass es nie einen Brandunfall gegeben hatte. Ich hatte ihm so viel erzählt, wie es klug war.
"Danke ", sagte er zu mir und strich mir über den Arm.
Danach verabschiedete er sich. Als er fort war, wurde ich sehr nachdenklich. Bis jetzt hatte ich den Ernst der Lage nicht begriffen, hatte das Leben hier als ein Spiel betrachtet, ein riskantes zwar, aber eben immer noch ein Spiel. Wie konnte ich außer Acht lassen, dass der Kampf um die Macht skrupellos ist und das Verlangen nach persönlicher Rache ebenso wie wir alle in den Tuilerien ein und aus geht? Martha hatte kein gutes Haar an den Leuten gelassen, die am Zentrum der Macht leben. Sie wäre nicht einverstanden gewesen, mich hier zu finden. Manchmal bin ich fast erleichtert, mich nicht vor ihr rechtfertigen zu müssen, denn ich konnte dem nicht gerecht werden, was sie aus mir machen wollte. Aber diese Erleichterung hat einen zu hohen Preis. Die Ungewissheit ist besonders schlimm, denn ich weiß gar nichts von Martha, Emily oder Bonny. Alle dürften inzwischen tot sein. Warum müssen alle, die ich liebe und beschützen will, fern von mir leben und sterben, obwohl ich mir doch nichts mehr wünsche, als für sie da zu sein? Ja, auch dieses Mal war ein Freund von mir in Bedrängnis, und nun wollte ich endlich alles richtig machen. Wenigstens Guillaume würde ich nicht im Stich lassen.
So machte ich mich mit einer wilden Entschlossenheit an die Vorbereitungen. Alles musste perfekt werden, ein Fehler wäre unverzeihlich. Es würden an die dreißig Leute kommen, Männer und Frauen, Grund genug, den großen Salon zu wählen. Schon lange hatte Guillaume geplant, den Raum neu einrichten zu lassen und ich nutzte jetzt die Gelegenheit, ihn vollkommen zu verändern. In den letzten Jahren war der chinesische Stil in Mode gekommen und ich arbeitete daraufhin mit einem Fachmann die Neugestaltung aus. Statt der alten wuchtigen Barockmöbel zogen nun zierliche schwarz oder rot lackierte Schränkchen und Stühle ein. Man hatte mir geraten, die Wände mit chinesischen Landschaften und Tieren zu schmücken. Es nahm sich ganz hervorragend aus und ich war sehr stolz auf mich. Schon Tage vor dem großen Ereignis flatterte ich aufgeregt umher und kontrollierte die Vorbereitungen, was ich niemand anderem überlassen wollte. Ich hatte unserem Koch einen weiteren zur Verfügung gestellt, der einen ausgezeichneten Ruf besaß. Er sollte die Gaumen mit exquisiten Speisen kitzeln. Heißt es nicht: Die Liebe geht durch den Magen?
An jenem Tag, der so wichtig für uns werden sollte, war alles bereit. Im Speisesaal neben dem Salon stand eine lange Tafel, die festlich mit chinesischem Porzellan gedeckt war, das uns ein Vermögen gekostet hatte. Von der Decke beider Räume hingen bunte Lampions, deren seidiges Licht allein alles erleuchtete. Daneben hatte ich noch ein paar Lampen aufstellen lassen, deren
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