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Dunkle Herzen

Dunkle Herzen

Titel: Dunkle Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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hatte. Sie hatte es nicht fertiggebracht, diese Tür wieder zu schließen, gewissermaßen ihre Erinnerungen erneut wegzusperren. Clare blieb auf der Schwelle stehen und versetzte sich in die Vergangenheit, in die Zeit, als der große, häßliche Schreibtisch ihres Vaters noch in diesem Raum gestanden hatte, übersät mit Papieren, Fotos und Büchern über Gartenbau. Daneben hatte eine Korkpinnwand gehangen, an die ihr Vater Fotos von Häusern, Zeitungsausschnitte sowie Telefonnummern von Klempnern, Dachdeckern, Schreinern und Elektrikern zu heften pflegte. Jack Kimball hatte zeit seines Lebens versucht,
seinen Freunden und Bekannten Aufträge zuzuschustern.
    Natürlich hatte er auch ein ordentlich geführtes, gut durchorganisiertes Büro in der Stadt unterhalten, doch schon immer hatte er es vorgezogen, hier zu arbeiten, unter dem Dach seines Hauses, wo er seine Familie in greifbarer Nähe wußte. Außerdem liebte er es, wenn der Duft seiner geliebten Blumen vom Garten in sein Arbeitszimmer drang.
    Clare erinnerte sich an die Unmengen von Büchern, die ihr Vater besessen hatte. Die Wandregale waren mit ihnen vollgestopft gewesen. Sie betrat das Zimmer und begann, weitere Kartons zu öffnen und all die Dinge durchzusehen, die ihre Mutter weggepackt hatte, weil sie es nicht übers Herz brachte, sie fortzuwerfen.
    Fachbücher, Abhandlungen über Architektur, das alte, zerfledderte Adreßbuch ihres Vaters, Romane von Steinbeck und Fitzgerald. Schwere Wälzer über Theologie und religiöse Themen. Jack Kimball hatte sich von der Religion zugleich abgestoßen und angezogen gefühlt. Nachdenklich blätterte Clare einige Bände durch. Was hatte ihren Vater nur dazu getrieben, sich gegen Ende seines Lebens wieder so verzweifelt an den Glauben seiner Kindertage zu klammern?
    Stirnrunzelnd wischte sie den Staub von einem mit zahlreichen Eselsohren versehenen Taschenbuch ab und versuchte sich zu erinnern, wo sie das Symbol auf dem Cover schon einmal gesehen hatte. Ein Pentagramm, in dessen Mitte der Kopf eines Ziegenbockes zu sehen war. Die Hörner berührten die beiden oberen Spitzen des Pentagramms, die Ohren die Seiten, Maul und Bart die beiden unteren Spitzen.
    »Der linksgerichtete Weg« , las sie laut. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, als sie das Buch aufschlug. In diesem Moment fiel ein Schatten über sie.
    »Clare?«
    Sie zuckte heftig zusammen und ließ das Buch fallen. Es landete mit der Titelseite nach unten zwischen den anderen.
Ohne nachzudenken bewegte Clare die Hand und deckte rasch ein anderes Buch darüber.
    »Ich wollte dich nicht erschrecken.« Cam stand in der Tür und suchte nach den richtigen Worten. Er wußte, daß es schmerzlich für sie sein mußte, sich in diesem Raum aufzuhalten. »Dein Wagen stand vor der Tür, und das Radio lief. Ich dachte, daß du dich irgendwo im Haus aufhalten mußt.«
    »Ja, ich war gerade dabei …«, sie erhob sich und klopfte Staub von ihren Knien, »… einige Sachen durchzusehen.«
    »Bist du okay?«
    »Klar.« Clare schaute auf die am Boden verstreuten Bücher hinunter. »Siehst du, auch eine einzelne Person kann Unordnung verbreiten.«
    Cam legte eine Hand an ihre Wange. »Hey, Slim, willst du darüber reden?«
    »Sei vorsichtig.« Clare schloß ihre Finger um sein Handgelenk. »Ich könnte sonst in Versuchung kommen, meine Probleme bei dir abzuladen.«
    »Nur zu.« Sanft zog er sie an sich und streichelte mit einer Hand ihren Rücken.
    »Ich habe ihn so sehr geliebt, Cam.« Clare schöpfte tief Atem und sah den im Sonnenlicht tanzenden Staubflocken zu. »Nie wieder habe ich jemanden so geliebt wie ihn. Als kleines Kind bin ich oft hier hochgeschlichen, wenn ich eigentlich schon längst im Bett liegen sollte. Er hat mich immer eine Zeitlang in seinem Stuhl sitzen lassen, während er arbeitete, dann hat er mich hinuntergetragen. Ich konnte mit ihm immer über alles reden, auch dann noch, als ich älter wurde.«
    Unbewußt verstärkte sie ihren Griff um seinen Arm. »Ich fand es schrecklich, als er zu trinken begann. Ich konnte einfach nicht begreifen, warum er sich selbst und uns alle so unglücklich machte. Manchmal habe ich ihn nachts weinen gehört. Oder beten. Es klang, als wäre er entsetzlich einsam und traurig. Aber irgendwie hat er sich am nächsten Tag immer zusammengerissen und sich nichts anmerken lassen. Dann habe ich immer gedacht, alles würde
schon wieder in Ordnung kommen. Aber dem war nicht so.« Seufzend machte sie sich los, doch ihre Augen

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