Dunkle Herzen
hübsch.«
»Schweif nicht vom Thema ab.«
»Nicht doch. Aber du bist trotzdem hübsch. Ich liebe diese Sommersprossen auf deiner Nase. Sie haben fast dieselbe Farbe wie deine Augen.«
»Okay, wenn du willst, darfst du mich malen, aber zuerst stehst du mir Modell.«
Ein Kissen kam angeflogen und traf sie ins Gesicht.
»Weißt du was?« Clare schüttelte sich und stopfte sich das Kissen in den Rücken. »Wären wir jetzt in New York, dann würde ich dich dazu überreden, dich anzuziehen und mit mir auszugehen. In einen Club.« Lächelnd schloß sie die Augen. »Laute Musik, zu viele Menschen, überteuerte Getränke, serviert von brummigen Kellnerinnen.«
Cam griff nach ihrer Hand und spielte mit den Fingern. »Vermißt du New York?«
»Hmm?« Sie hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Ich hab’ noch nicht näher drüber nachgedacht. Mir fehlt zwar die Bäckerei direkt gegenüber, aber dafür führt der Supermarkt hier erstklassige Doughnuts.«
Stirnrunzelnd betrachtete Cam ihre Finger, anstatt weiter mit ihnen zu spielen. Sie waren genauso lang, schmal und biegsam wie Clare selbst. »Wo lebst du denn dort?«
»Ich habe in SoHo ein Loft.«
Ein Loft in SoHo. Das paßte zu ihr. Ausgefallen und flippig.
»Warst du schon mal in New York?«
»Ein paarmal.« Er blickte von ihrer Hand zu ihrem Gesicht. Sie wirkte vollkommen gelöst, ihre Augen waren geschlossen, die Lippen leicht geöffnet, und auf ihren Wangen lag ein rosiger Hauch. Sie hatte nicht, wie viele Frauen, schamhaft die Decke über sich gezogen, sondern lag in ungezwungener Nacktheit auf dem Bett. Cam strich mit einer Hand über ihre Brüste, aber weniger um der Erregung willen als vielmehr um sich zu vergewissern, daß sie kein Trugbild, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut war.
»Hat es dir gefallen?«
»Was?«
Wieder lächelte sie. »New York.«
»Ganz gut. Kam mir vor wie ein überfüllter, überteuerter Vergnügungspark.«
Seine Beschreibung brachte sie zum Lachen. »Ein langer Weg vom alljährlichen Emmitsboroer Jahrmarkt bis dorthin.«
»Allerdings. Merkwürdig, wie sich die Dinge manchmal entwickeln – daß wir beide, du und ich, hierhin zurückgekehrt sind und dann zusammengefunden haben.« Zärtlich streichelte er ihre Wange. »Ich möchte nicht, daß du nach New York zurückgehst, Clare.« Sie öffnete die Augen und musterte ihn argwöhnisch. »Jetzt erzähl mir nicht wieder, daß dir das alles zu schnell geht. Es ist mir wichtig.«
»Das wollte ich gar nicht sagen. Ich weiß überhaupt nicht, was ich sagen soll.«
»Ich möchte dich auf keinen Fall verlieren, und wenn du
nach New York zurückgehst, kann ich nicht mitkommen. Ich kann dort keinen Dienst mehr tun.«
»Hier leistest du doch auch Polizeiarbeit.«
»Na ja.« Cam setzte sich auf und langte nach einer Zigarette. Wie er Clare kannte, würde sie sich nicht mit Halbwahrheiten abspeisen lassen. Warum sollte sie auch? Er würde ihr wohl oder übel die ganze Geschichte erzählen müssen. »Emmitsboro ist eine nette, friedliche kleine Stadt oder war es zumindest bisher. Genau so einen Ort habe ich gesucht. Eine Art Zuflucht.« Er strich ein Streichholz an und starrte einen Moment lang nachdenklich auf die flakkernde Flamme, ehe er seine Zigarette daranhielt. »Für mich bedeutete diese Stadt genau das Umfeld, das ich so dringend benötigte. Ich bin zurückgekommen, weil ich meinen Job in der Großstadt nicht länger ausüben konnte. Ich könnte es nie wieder verantworten, mit einem Partner zusammenzuarbeiten.«
»Wie bitte?«
»Nie wieder mit einem Partner«, wiederholte Cam. »Ich traue es mir nicht mehr zu, einem Partner Rückendeckung zu geben.«
Sie legte eine Hand über die seine. »Warum nicht?«
»Ich hatte mal einen Partner, mit dem ich über drei Jahre zusammengearbeitet habe. Er war ein guter Cop. Und ein guter Freund.«
»War?« fragte sie, seine Hand an die Lippen ziehend. »Das tut mir leid. Was ist passiert?«
»Ich hab’ Scheiße gebaut, und er kam ums Leben.«
»Da steckt doch mit Sicherheit mehr dahinter.« Clare fröstelte plötzlich, griff nach seinem Hemd und streifte es sich über den Kopf. Gerade sie wußte nur zu gut, was es hieß, ein dunkles Geheimnis mit sich herumzutragen; immer wieder von qualvollen Erinnerungen heimgesucht und gefoltert zu werden. »Kannst du darüber sprechen?«
»Ich glaube sogar, ich muß es endlich einmal loswerden.« Dennoch schwieg er einen Moment, während draußen ein Ziegenmelker zwitschernd in den
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