Dunkle Herzen
Vornamen?«
»C-a-r-l-y. Clare, was ist denn los?«
»Annie. Heute morgen habe ich Annie bei der Parade getroffen, und sie hat mir ihren Schmuck gezeigt. Sie trug ein Armband, ein silbernes Ding mit eingraviertem Namen darauf. Der Name lautete Carly. Irgendwie hatte ich ein ungutes Gefühl, als ich es sah, aber bis eben konnte ich es mir nicht erklären.«
Vor Unbehagen krampfte sich Cams Magen zusammen. Er warf einen Blick auf die Uhr und stellte fest, daß es bereits nach eins war. »Morgen früh werde ich als erstes mit Annie sprechen.«
»Nimm mich mit. Ich werde mich bestimmt nicht einmischen«, fügte sie rasch hinzu. »Aber vielleicht kann ich helfen. Annie sagte, das Armband gefiele ihr am besten, weil
ihr Name daraufstünde. Sie konnte die Buchstaben nicht lesen. Gib mir eine Stunde Zeit, dann mache ich ein anderes und überrede sie zum Tauschen.«
»Na schön. Ich kann nur beten, daß sie das Ding am Straßenrand der Route 15 gefunden hat und daß das Mädchen es beim Trampen dort verlor.«
»Genau so ist es wahrscheinlich auch gewesen.« Doch Clare erschauerte unwillkürlich. »Teenager sind unachtsam. Vermutlich hat sie den Verlust erst bemerkt, als sie schon fast in Florida war.«
»Vermutlich.« Aber der nagende Zweifel in seinem Inneren ließ sich nicht vertreiben.
»Es muß ja nicht unbedingt dein Meisterstück werden«, drängelte Cam ungeduldig.
»Ich lege Wert darauf, stets gute Arbeit zu leisten.« Mit unendlicher Sorgfalt lötete Clare die Glieder des Armbandes zusammen. Sie war von ihrem Werk recht angetan, und das Design fand sie ausgesprochen gelungen. Ein schmales Silberband, welches sich zu einer kleinen ovalen Scheibe in der Mitte verbreiterte. Darauf würde sie in kühnen Großbuchstaben Annies Namen eingravieren. Wenn Cam nur aufhören würde, sie mit seiner Meckerei abzulenken.
Dieser lief ruhelos in der Garage auf und ab, hob wahllos Werkzeuge auf und legte sie wieder fort. »Ich will bei ihrem Wohnwagen sein, ehe sie sich auf ihre tägliche Wanderung begibt.«
»Schon gut, schon gut.« Er würde aus der Haut fahren, wenn sie sich auch noch die Zeit nahm, die Lötstellen glattzufeilen. Clare inspizierte das Armband und beschloß, es darauf ankommen zu lassen. Minderwertige Arbeiten verließen erst gar nicht ihr Atelier. »Spiel nicht mit meinem Zirkel rum.«
»Was zum Henker geht denn hier vor?« Blair erschien in der Tür, nur mit einem Paar Boxershorts bekleidet und offensichtlich unter dem Großvater aller Kater leidend.
»Clare fertigt ein Armband an.«
»Ein Armband?« Blair legte die Hand vor die Augen,
um sich vor dem grellen Licht zu schützen, und vermied es tunlichst, die Stirn zu runzeln. Jede Bewegung verstärkte das Hämmern in seinem Kopf nur noch. »Es ist sieben Uhr morgens. Sonntag morgens.«
Cam blickte auf die Uhr. »Zehn nach.«
»Ach so. Das ändert natürlich alles.« Blair breitete vorsichtig die Arme aus und bereute es sofort.
»Ich leiste sozusagen Polizeiarbeit«, verkündete Clare, während sie ihre Graviernadel suchte.
»Gehört das Anfertigen von Armbändern neuerdings zur Polizeiarbeit?«
»Jawoll. Wenn du nur dumm rumstehen willst, dann sei lieber so gut und mach uns Kaffee.«
»Wir haben keine Zeit mehr«, warf Cam ein.
»Wir können ihn mitnehmen.«
»Ich kauf dir einen ganzen Kanister Kaffee, wenn wir fertig sind.«
»Du könntest ihn jetzt vertragen«, meinte Clare, die das richtige Werkzeug gefunden hatte. »Du hast nämlich schlechte Laune.«
»Die schlechte Laune habe ich längst hinter mir gelassen. Jetzt nähere ich mich mit rasender Geschwindigkeit dem Stadium äußerster Gereiztheit.«
»Da hast du’s.«
»Hört mal«, hob Blair an und tastete mit beiden Händen nach seinem Kopf, um sich zu vergewissern, daß dieser noch fest auf den Schultern saß. »Macht das bitte unter euch aus. Ich verzieh’ mich wieder ins Bett.«
Weder Cam noch Clare achteten auf ihn.
»Wie lange brauchst du noch?«
»Ein paar Minuten.« Die Nadel glitt über die Silberplatte. »Wenn ich etwas mehr Zeit hätte, könnte ich …«
»Clare, Hauptsache, es glitzert. Annie wird begeistert sein.«
»Ich bin eine Künstlerin«, ließ Clare ihn wissen, wobei sie das Plättchen mit kleinen Schnörkeln verzierte. »Ich lege mein ganzes Herz in meine Arbeit.«
»Au weia!«
Sie biß sich auf die Lippe, um ein Lachen zu unterdrükken, und tauschte die Graviernadel gegen einen kleinen Lappen. »Das hätten wir. Ein bißchen primitiv zwar, aber im
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