Dunkle Herzen
zugab. Stunden um Stunden hatte sie damit verbracht, es liebevoll abzustauben.
Sie schlug eine kleine Keramikkatze in Papier ein und ließ sie in den Karton mit den Sachen, die sie mitzunehmen gedachte, fallen.
Als es an der Tür klopfte, schrak sie heftig zusammen, dann strich sie ihre Schürze glatt und richtete flüchtig ihr Haar, ehe sie zur Tür ging. Sie hoffte inständig, daß nicht Min Atherton draußen stand, die unter dem Vorwand, sich als besorgte Freundin und Nachbarin um sie kümmern zu müssen, im Haus herumschnüffeln wollte.
Bei dem Gedanken lachte Jane freudlos auf. Schon von klein auf hatte Min ständig ihre neugierige Nase in anderer Leute Angelegenheiten gesteckt, und wenn sie nicht zufällig mit James verheiratet wäre, würde ihr niemand auch nur die Uhrzeit nennen. Doch sofort machte der gehässige Gedanke einem Gefühl von Neid Platz. Min mochte ja so lästig sein wie ein Staubkorn im Auge, aber sie hatte wenigstens einen Ehemann.
Sie öffnete die Tür und stand ihrem Sohn gegenüber.
»Mom.« Niemals in seinem Leben hatte er etwas so bedauert wie das, was er im Begriff stand zu tun. »Ich muß mit dir reden.«
»Ich bin beschäftigt, Cameron.« Sie fürchtete, er sei gekommen, um ihr wegen des Verkaufs der Farm Vorwürfe zu machen, hatte schon darauf gewartet, daß er bei ihr auftauchte und sich beklagte. Aber er hatte kein einziges Wort darüber verloren. »In drei Wochen ist der Umzug, und ich muß noch das ganze Haus ausräumen.«
»Hast du’s so eilig, es loszuwerden?« Kaum waren die Worte heraus, da verfluchte sich Cam im stillen. »Na ja, das ist schließlich deine Entscheidung. Trotzdem muß ich mit dir reden. Es geht um Biff.«
»Biff?« Mit fahrigen Bewegungen fummelte Jane an den Knöpfen ihrer Bluse herum. »Hast du etwas herausgefunden? Weißt du, wer ihn umgebracht hat?«
»Ich muß mit dir reden«, wiederholte er. »Willst du mich nicht reinlassen?«
Jane trat einen Schritt zurück. Cam bemerkte, daß sie sich bereits das Wohnzimmer vorgenommen hatte. Außer dem Sofa, dem Fernseher, einem Tisch und einer Lampe stand nichts mehr darin. Dort, wo die Bilder gehangen hatten, zeigten sich dunkle Flecken auf der verblichenen Tapete, und auf dem Boden waren noch schwach die Umrisse des Teppichs zu sehen.
Am liebsten hätte Cam seine Mutter geschüttelt und angeschrieen, sie solle doch einmal nachdenken. Was sie da zusammenpackte, war auch ein Teil seines Lebens. Aber er war nicht als ihr Sohn hier, das wollte sie ja nicht zulassen.
»Setz dich doch.« Er deutete zum Sofa und wartete. »Ich muß dir ein paar Fragen stellen.«
»Ich habe dir schon alles gesagt, was ich weiß.«
»So?« Er musterte sie eindringlich. »Dann erzähl mir doch bitte etwas über Biffs Hobbies.«
»Bitte?« Ihr Gesicht verschloß sich. »Ich verstehe nicht ganz.«
»Welche Vorlieben hatte er denn außer Alkohol?«
Jane preßte verkniffen die Lippen zusammen. »Ich lasse es nicht zu, daß du in seinem eigenen Haus schlecht über ihn sprichst.«
»Dieses Haus hat niemals ihm gehört, aber lassen wir
das jetzt mal beiseite. Was hat er denn so mit seiner Zeit angefangen?«
»Er hat die Farm bewirtschaftet.«
Heruntergewirtschaftet traf den Nagel eher auf den Kopf, dachte Cam böse, verkniff sich aber eine dementsprechende Bemerkung. »Und in seiner Freizeit?«
»Er hat gerne ferngesehen.« Was wußte sie eigentlich über den Mann, mit dem sie über zwanzig Jahre lang zusammengelebt hatte? »Er ist oft auf die Jagd gegangen, hat in jeder Saison einen Hirsch erlegt.«
Oder mehrere, dachte Cam. Er hatte sie heimlich im Wald abgehäutet und das Fleisch unter der Hand verkauft.
»Hat er gelesen?«
Jane zwinkerte verwirrt. »Manchmal.«
»Welchen Lesestoff bevorzugte er denn?«
Ihr fielen die Hefte, die sie im Schuppen gefunden und verbrannt hatte, wieder ein. »Was Männer halt so lesen.«
»Wie steht’s mit seiner Religion?«
»Er war nicht religiös. Zwar ist er im methodistischen Glauben erzogen worden, glaube ich, aber er sagte immer, es sei nur Zeitverschwendung, in die Kirche zu gehen.«
»Wie oft ist er denn in der Woche ausgegangen?«
»Ich weiß es nicht«, entgegnete sie hörbar verstimmt. »Was hat das denn mit dem Mord zu tun?«
»Ist er immer an einem bestimmten Abend weggegangen?«
»Ich habe meinen Mann nicht kontrolliert. Das stand mir nicht zu.«
»Wem denn sonst? Mit wem ist er ausgegangen?«
»Mit verschiedenen Leuten.« Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, aber sie
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