Dunkle Herzen
zusammen. Je mehr die Wirkung der Droge nachließ und seine Erregung abflaute, desto zynischer wurden seine Beobachtungen. Ein paar Männer onanierten auf den Boden, da sie ihre Ungeduld nicht länger zügeln konnten. Sie wirkten wie trunken, berauscht von Sex und Blut.
Ernies höhnischer Blick wanderte von einem zum anderen und blieb schließlich an dem Mann hängen, der die Maske des Bockes von Mendes trug. Sein nackter, schlanker Körper schimmerte fahl im bleichen Licht, und auf seiner Brust glitzerte ein schwerer silberner Anhänger. Dieser Mann tanzte nicht um das Feuer herum oder warf sich wollüstig auf die Frau, sondern er stand nur da und sah dem Treiben zu.
Dort lag die Macht, erkannte Ernie. In diesem Mann konzentrierte sie sich, dieser Mann wußte um die Abgründe der menschlichen Seele. Als er sich Ernie näherte, begann der Junge leicht zu zittern.
»Hast du eine Frage?«
»Ja. Das Ritual – der Ablauf stimmt nicht mit dem überein, was ich darüber gelesen habe.«
»Wir selbst bestimmen die Regeln. Unsere Bedürfnisse sind maßgebend. Mißfällt dir das?«
Ernie blickte zu dem Altar hinüber, wo die Männer noch immer ihrer Lust frönten. »Nein.« Das war es, was er gewollt hatte, das war die absolute Freiheit. »Aber die Befriedigung der Fleischeslust ist nur ein Weg von vielen.«
Hinter der Maske erschien ein Lächeln. »Du wirst noch andere Wege kennenlernen. Doch diese Nacht ist für dich jetzt zu Ende.«
»Aber ich will …«
»Man wird dich jetzt zu deinem Wagen zurückbringen. Warte ab, bis du erneut gerufen wirst. Wenn du über das, was du gesehen und getan hast, auch nur ein einziges Wort verlierst, wirst du den Tod erleiden, und deine Familie wird mit dir sterben.« Abrupt wandte der Maskierte sich ab und ging zum Altar zurück.
Man brachte Ernie seine Kleider und befahl ihm, sich anzukleiden, dann eskortierten ihn zwei Männer zu seinem Wagen zurück. Er fuhr etwa eine halbe Meile, ehe er den Wagen abstellte, den Zündschlüssel abzog und zu dem geheimen Platz im Wald zurückrannte.
Er würde sich nicht einfach so abspeisen lassen wie ein kleines Kind, schwor er sich. Das Ritual war noch nicht beendet gewesen. Wenn er schon in den magischen Zirkel aufgenommen worden war, dann hatte er auch das Recht, in alles eingeweiht zu werden.
Schließlich gehörte er dazu.
In seinem Kopf tobte ein pochender Schmerz, und sein Mund fühlte sich rauh und ausgetrocknet an. Nachwirkungen der Droge, vermutete er. Er würde darauf achten, beim nächsten Mal nicht von dem Wein zu trinken, sondern nur
so zu tun. Er wollte einen klaren Kopf behalten. Nur Narren und Schwächlinge brauchten Drogen.
Obwohl er ein- oder zweimal fürchtete, sich verlaufen zu haben, lief er unverzagt weiter. Er war sicher, einige der Männer erkannt zu haben, und er beabsichtigte, sich insgeheim eine Namensliste anzulegen. Sie hatten sein Gesicht gesehen, also war er berechtigt, auch die ihren zu kennen. Ein zweites Mal würden sie ihn nicht wie einen unreifen Jungen behandeln. Er gehörte zu ihnen, und eines Tages würde er, angetan mit der Bocksmaske, in der Mitte des Kreises stehen und die Mächte der Hölle anrufen.
Schon von weitem roch er den Rauch, den Gestank verschmorenden Fleisches. Rasch überquerte er den Bach, wo Junior Dopper einst seinem ganz persönlichen Dämon entgegengetreten war. Schwach drang der monotone Gesang durch die Bäume. Ernie verlangsamte seinen Schritt, ließ sich auf alle viere nieder, robbte vorwärts und verbarg sich im Gebüsch. Von diesem Versteck aus – dem selben Platz, wo sich einst ein kleines Mädchen verängstigt zusammengekauert hatte, aber das konnte er nicht wissen – beobachtete er den Fortgang des Rituals.
Die Männer hatten ihre Gewänder nicht wieder angelegt, sondern standen nackt um die Feuerstelle herum. Der Altar lag entspannt und schläfrig da, ihr Körper schimmerte weiß im Mondlicht.
»Unsere Lust ist gestillt, unsere Körper sind rein, unsere Sinne sind geschärft. Wir sind eins mit unserem Gebieter.«
»Heil, Satan!«
Der Priester stand mit gespreizten Beinen und weit ausgebreiteten Armen inmitten des Kreises und sprach mit weithin hallender Stimme einen Fluch aus. Latein? fragte sich Ernie, die Lippen leckend. Nun, welche Sprache es auch sein mochte, sie klang kraftvoller und gebieterischer als Englisch.
»Beelzebub, erscheine und erfülle mich mit deinem Zorn! Schande komme über die Erde ob ihrer Lasterhaftigkeit!« Er wirbelte zu dem Altar
Weitere Kostenlose Bücher