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Dunkle Herzen

Dunkle Herzen

Titel: Dunkle Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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so eigenbrötlerisch. Immer in Gedanken versunken.
    Wenn sie nur wüßte, was in ihm vorging.
     
    Er wartete. Ernie wußte, daß er zu früh dran war, doch er hatte es zu Hause einfach nicht mehr ausgehalten. Vor Aufregung schlug sein Herz so hart und schnell, daß er meinte, es müsse jeden Moment explodieren. Doch er erkannte nicht, daß diese Aufregung zum größten Teil auf Angst basierte, auf nackter, kalter Angst.
    Das helle Licht des vollen Mondes tauchte die Bäume in einen silbernen Schein und ergoß sich glitzernd über die Felder. In der Ferne konnte er Doppers Farm erkennen. Irgendwo muhten Kühe klagend in die Nacht.
    Ernie dachte an den heimlichen Besuch, den er der Farm abgestattet hatte. Damals war er, ausgerüstet mit einem Rucksack, der mehrere Messer und ein Seil enthielt, über den Zaun gestiegen. Das Mondlicht war schwächer und der Wind kälter gewesen.
    Es hatte ihm keine Schwierigkeiten bereitet, die beiden Kälber in eine Ecke zu treiben und an den Beinen zu fesseln, so, wie er es in den Filmen gesehen hatte, die im Rahmen des Landwirtschaftskurses, den zu besuchen er verpflichtet
gewesen war, gezeigt wurden. Er hatte jede einzelne Minute des Kurses verabscheut, doch die Filme kamen ihm nun zugute. Er erinnerte sich genau daran, wie man die Tiere einfangen mußte, um sie mit Brandzeichen zu versehen.
    Nur hatte er absolut keine Vorstellung von den Unmengen Blut, die beim Schlachten flossen, gehabt. Er hatte auch nicht gewußt, welche entsetzlichen Laute die verängstigten Tiere von sich gaben und wie sie furchtsam mit den Augen rollten.
    Anfangs war ihm übel geworden, und er hatte die Kadaver einfach liegengelassen und war in den Wald gerannt, um sich heftig zu übergeben. Aber er hatte seine Tat zu Ende geführt. Er war zurückgekehrt und hatte es zu Ende gebracht. Er hatte bewiesen, daß er ihrer würdig war.
    Ein Tier mit eigenen Händen zu töten, war entschieden schwieriger, als er gedacht hatte. Auch war es etwas ganz anderes, mit einer kleinen Phiole voll Blut herumzuspielen, als es lebenswarm über seine Hände rinnen zu spüren.
    Nächstesmal würde es ihm leichterfallen.
    Ernie rieb sich mit der Hand über den Mund. Nächstesmal mußte es ihm leichterfallen.
    Im Gebüsch raschelte etwas, und er drehte sich um, ohne sich bewußt zu sein, daß in seinen Augen dieselbe Angst stand, die er in den Augen der Kälber gelesen hatte. Seine Hand schloß sich um den Zündschlüssel, der noch im Schloß steckte. Einen Moment, den Bruchteil einer Sekunde lang befahl ihm eine innere Stimme eindringlich, den Motor anzulassen, den Wagen zu wenden und so schnell wie möglich zu verschwinden. Sieh zu, daß du wegkommst, solange du noch Zeit dazu hast, dachte er bei sich.
    Doch sie tauchten bereits aus dem Dickicht auf. Wie Gespenster oder Waldgeister. Oder Dämonen.
    Vier waren es; sie trugen wallende Gewänder und Masken. Ernie schluckte hart, als einer von ihnen die Hand ausstreckte und die Wagentür öffnete.
    »Ich bin gekommen«, sagte er.
    »Man hat um dich geschickt«, bekam er zur Antwort. »Es gibt kein Zurück mehr.«
    Ernie schüttelte den Kopf. »Ich bin bereit. Ich will lernen. Ich will dazugehören.«
    »Trink das.«
    Einer der Männer hielt ihm ein Glas hin. Mit unsicheren Bewegungen kletterte der Junge aus dem Wagen, nahm es entgegen und hob es an die Lippen. Während er trank, heftete er den Blick auf die Augen, die hinter der Maske des Baphomet funkelten.
    »Komm.«
    Ein anderer Mann stieg in den Wagen und fuhr ihn so tief ins Gebüsch, daß er von der Straße aus nicht mehr gesehen werden konnte. Die restlichen drei nahmen Ernie in die Mitte und führten ihn in den Wald.
    Keiner sprach mehr ein Wort. Ernie fand, daß sie großartig, ja, beeindruckend aussahen, wie sie im schummrigen Licht dahinschritten. Trockene Blätter raschelten leise, wenn der Saum ihrer Roben sie streifte. Eine ganz spezielle Musik, dachte er böse lächelnd. Das Halluzinogen, welches man ihm verabreicht hatte, zeigte bereits Wirkung. Die Welt um ihn herum begann sich zu verändern. Seine Begleiter schienen plötzlich zu schweben, glitten schwerelos um die Bäume herum oder waberten durch sie hindurch.
    Der Mond leuchtete auf einmal blutrot. Vor Ernies Augen nahm seine Umgebung neue Formen an, zerfloß zu magischen Schatten, schillerte in nie gesehenen Farben. Das Knirschen des Laubes unter seinen Füßen verstärkte sich zu einem dröhnenden Rauschen und brachte sein Blut in Wallung. Er marschierte

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