Dunkle Herzen
herum. Lässig stützte sich Sarah auf ihre Ellbogen auf.
Sie kannte ihn, kannte seine Gelüste und Geheimnisse.
»Du hast deinen Spaß ja noch gar nicht gehabt, Schätzchen«, sagte sie, ihr zerzaustes Haar schüttelnd. »Mach lieber voran. Die zwei Stunden sind fast um.«
Er schlug sie so hart ins Gesicht, daß ihr Kopf nach hinten flog. »Du hast zu schweigen, du Schlampe!«
Sarah fuhr sich mit zwei Fingern über die Lippen und spürte Blut. Haß loderte in ihren Augen auf, doch sie beherrschte sich. Sie wußte, wenn sie nicht gehorchte, würde er sie wieder schlagen. Also blieb sie still liegen und wartete ab. Ihre Stunde würde schon noch kommen. Bei Gott, das würde sie. Und dann würde ihn dieser Schlag weit mehr als lumpige zweihundert Dollar kosten.
»Blickt auf diese Hure hinab!« kreischte der Priester. »Gleich Eva wird sie verführen, was sie später verrät. Gewiß, ihre geöffneten Schenkel verheißen uns Freude, doch das Gebot wiegt stärker als die Lust. Und ich verkünde das Gebot. Es gibt keine Gnade!«
»Keine Gnade!«
»Ihre Strafe soll grausam sein. Wir kennen keine Gnade.«
»Keine Gnade!«
»Verflucht seien die Schwachen! Sie, die ausgesprochen hat, was auf ewig geheim bleiben muß, ist verdammt. So lautet das Gebot.«
»Heil, Satan!«
Als die Männer sie drohend umringten, versuchte Sarah, sich aufzurichten, doch es war zu spät. Sie wurde gepackt und mit Händen und Füßen auf den Altar gefesselt.
»Ich habe nichts verraten! Niemals habe ich …«
Ein weiterer Schlag brachte sie zum Schweigen.
»Die Herrscher der Dunkelheit fordern Vergeltung. Sie hungern und sie dürsten nach Blut. Die Stimme ihres Zorns durchdringt die Stille der Nacht.« Der Priester drehte sich um und warf eine pulvrige Substanz ins Feuer, die die Flammen hoch auflodern ließ.
Der Gesang setzte von neuem ein, ein murmelnder Chor, der seine Worte untermalte.
»Ich bin das Instrument der Vernichtung! Ich bin der Bote des Verhängnisses. Die Qualen der Verräterin werden mich beschwichtigen, und nur ihr sündiges Blut kann meinen Durst stillen.«
»Bitte!« Entsetzt bäumte sich Sarah in ihren Fesseln auf und blickte die Männer an, die schweigend um sie herumstanden. Dieser Alptraum konnte einfach nicht wahr sein. Sie kannte sie alle, jeden einzelnen von ihnen, hatte ihnen Bier und oft auch ihren Körper verkauft. »Ich tue alles, was ihr wollt. Alles. Um Gottes willen …«
»Es gibt keinen Gott außer Satan.«
In seinem Versteck im Gebüsch brach Ernie der Schweiß aus.
»Seht her! Der Zorn des Gebieters ergießt sich über sie.« Der Priester nahm das heilige Messer, an dem noch das Blut des Ziegenbocks klebte, zur Hand und trat vor.
Sarah begann zu schreien.
Sie schrie sehr, sehr lange. Ernie preßte die Hände gegen die Ohren, um das furchtbare Geräusch abzuwehren, doch die Schreie schwängerten die Luft wie ein übler, klebriger Geruch. Selbst als er die Augen schloß, konnte er immer noch sehen, was Sarah angetan wurde.
Das war kein Opferritual, sondern eine Hinrichtung. Ein Schlachtfest.
Die Hand vor den Mund geschlagen, rannte er blindlings durch den Wald davon, verfolgt von den entsetzlichen Schreien.
Doch es gab noch einen anderen Beobachter, und dieser rannte nicht davon. Dieser kroch wie ein Tier auf Händen und Füßen durch das Unterholz, mit leuchtenden Augen, in denen ein Anflug von Irrsinn flackerte. Dieser Beobachter sog den grausigen Anblick in sich auf, dieser verlangte nach mehr, wartete ab, schwitzend und mit wild klopfendem Herzen, lechzte mit der glühenden Inbrunst der Verdammten nach Blut.
Auch als die Schreie längst erstorben waren, schien sich ihr Echo im Wald fortzupflanzen, und jemand wiegte sich bei ihrem Klang in einer obszönen Parodie des Geschlechtsaktes
vor und zurück. Wie gut war es doch, das Werk des Gebieters mit ansehen zu dürfen!
Der heimliche Beobachter schnupperte gierig wie ein blutrünstiger Wolf. Bald würde sich die Lichtung leeren, doch das Blut, welches hier vergossen worden war, würde weiterhin Zeugnis des grausamen Geschehens ablegen. Die Luft roch nach Tod, nach Rauch und nach wildem Sex, und die Schatten der Bäume verbargen die im Gebüsch zusammengekauerte Gestalt. Welche Götter auch immer einst dieses kleine Fleckchen Erde beschützt haben mochten, Tod und Verdammnis hatten sie vertrieben.
»Clare, ganz ruhig, Baby.« Cam zog sie an sich und strich ihr über das Haar. Sie zitterte am ganzen Körper. Hilflos versuchte er, das
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