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Dunkle Herzen

Dunkle Herzen

Titel: Dunkle Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Dank, daß du hier bist.« Clare ergriff seinen Arm. »Komm mit. Und was du auch tust, sieh dich nicht um.«
    »Hey«, protestierte ihr Bruder, als sie ihn nach draußen bugsiert hatte, »drinnen wartet der Champagner auf mich.«
    »Ich spendier’ dir eine ganze Kiste voll.« Ohne auf die ihr zur Verfügung gestellte Limousine zu achten, schleifte Clare ihn die Straße entlang. Vier Blöcke weiter betrat sie einen Feinkostladen und schnupperte genüßlich den Duft nach Corned Beef, Knoblauch und Gewürzgurken.
    »Lieber Gott, ich danke dir«, murmelte sie, als sie zur Theke ging, um die Auswahl an Kartoffelsalat, Soleiern, geräuchertem Stör und Ziegenkäse in Augenschein zu nehmen.
    Zehn Minuten später saßen sie an einem verkratzten Linoleumtisch und verspeisten dicke, mit Pastrami und Schweizer Käse belegte Scheiben Pumpernickel.
    »Ich hab’ mir doch nicht extra einen neuen Anzug zugelegt, um dann in diesem Schuppen zu sitzen und Schwarzbrot mit kaltem Fleisch zu futtern!«
    »Wenn du willst, können wir gleich zurückgehen«, tröstete Clare ihn mit vollem Mund. »Ich mußte nur ein paar Minuten da raus.«
    »Es ist deine Ausstellung«, erinnerte er sie.
    »Das schon. Ich frage mich bloß, ob meine Arbeit oder meine Person auf dem Präsentierteller steht.«
    »Okay, Kid.« Blair lehnte sich, knirschend seine Kartoffelchips kauend, in seinem Stuhl zurück. »Was steht wirklich an?«
    Nachdenklich schwieg Clare einen Augenblick. Ihr war gar nicht bewußt geworden, wie übermächtig das Verlangen, die Ausstellung zu verlassen, gewesen war – bis sie Blair sah; ein solider Fels in der Brandung der Menge.
    Er war nur unwesentlich größer als sie selbst, und sein Haar, das er aus dem Gesicht gekämmt trug, war im Laufe der Jahre zu einem satten Rötlichblond nachgedunkelt. Viele Frauen verglichen ihn mit dem jungen Robert Redford, was ihn ständig in Verlegenheit brachte. Als Mensch, der bar jeder Eitelkeit durchs Leben geht, konnte Blair gut nachempfinden, wie sich schöne Frauen fühlen mußten, wenn sie beharrlich als hirnlose Sexobjekte abgestempelt wurden.
    Obwohl er fünf Jahre jünger wirkte und einen harmlosen, naiven Eindruck machte, hatte er bereits eine beachtliche journalistische Karriere hinter sich; er arbeitete als politischer Reporter für die Washington Post .
    Blair war, wie Clare wußte, ein vernünftiger, logisch denkender Mensch, der mit beiden Beinen fest auf dem Boden stand, also das genaue Gegenteil zu ihrer komplizierten Persönlichkeit. Trotzdem kannte sie niemanden, mit dem sie lieber ihre geheimsten Gedanken teilen würde.
    »Wie geht es Mom?«
    Blair nahm einen Schluck von seinem Soda. Er kannte seine Zwillingsschwester gut genug, um zu wissen, daß sie um jedes Problem, wie auch immer es geartet sein mochte, so lange herumredete, bis sie bereit war, sich mit ihm auseinanderzusetzen. »Ihr geht’s prima. Gestern hab’ ich eine Postkarte aus Madrid bekommen. Du nicht?«
    »Doch.« Clare knabberte an ihrem Sandwich. »Sie und Jerry scheinen sich ja blendend zu amüsieren.«
    »Hochzeitsreisen sind im allgemeinen dazu da, um Spaß zu machen.« Er beugte sich vor und streichelte ihre Hand. »Sie braucht Jerry, Clare. Sie liebt ihn, und sie verdient ein bißchen Glück.«
    »Ich weiß, ich weiß.« Über sich selbst verärgert, schob Clare ihren Teller ungeduldig beiseite und griff nach einer Zigarette. In der letzten Zeit schwankte ihr Appetit ebenso sehr wie ihre Laune. »Mein Verstand sagt mir, daß du recht hast. Sie hat so hart gearbeitet, nachdem Daddy – nachdem er starb; sie hat die Familie zusammengehalten und die Firma vor dem Ruin bewahrt. Wahrscheinlich mußte sie das tun, um nicht den Verstand zu verlieren. Ich weiß das alles«, wiederholte sie, sich die Schläfen reibend. »Ich weiß es.«
    »Aber?«
    Clare schüttelte den Kopf. »Jerry ist in Ordnung. Ich mag ihn, ganz ehrlich. Er ist witzig, er hat Köpfchen, und er ist verrückt nach Mom. Es ist ja nicht so, als ob wir noch Kinder wären, die es ihm übelnehmen, daß er Daddys Platz einnimmt.«
    »Aber?«
    »Aber ich werde das Gefühl nicht los, daß er wirklich Daddys Platz einnimmt.« Sie lachte nervös und inhalierte einmal tief. »Das ist es zwar nicht allein, aber zumindest ein Teil des Problems. Himmel, Blair, es ist nur so, daß unsere Familie so – so auseinandergerissen wurde. Mom wochenlang auf Hochzeitsreise in Europa, du in D.C., ich hier. Ich muß immer daran denken, wie es war, ehe wir Daddy

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