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Dunkle Herzen

Dunkle Herzen

Titel: Dunkle Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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gemacht, als du zählen kannst, mahnte er sich streng. Trotzdem zitterte seine Hand ein wenig, als er den Umriß des nackten linken Beines auf den Boden sprühte.
    »Man hat dir deine verdammten Kniescheiben zerschmettert,
nicht wahr?« knurrte er leise. »Ich habe immer gehofft, du würdest einmal jämmerlich verrecken. Sieht aus, als wäre mein Wunsch in Erfüllung gegangen.«
    Mit zusammengebissenen Zähnen arbeitete er weiter. Erst als er sich wieder aufrichtete, bemerkte er, daß sein Kiefer schmerzte. Sorgfältig schob er die Kappe auf die Sprühdose und stellte sie weg, ehe er nach einer Zigarette griff.
    Als er das letzte Mal so dagestanden und auf einen Toten hinabgeblickt hatte, hatte es sich um jemanden gehandelt, den er mochte, mit dem er lachen konnte, für den er sich verantwortlich fühlte. Um den er trauerte.
    Cam schloß die Augen, aber nur einen kurzen Moment lang, da er sofort alles wieder glasklar vor sich sah. Jakes auf der dreckigen Treppe liegender Körper, aus dem das Blut so rasend schnell heraussprudelte, daß sie beide wußten, ihm konnte keiner mehr helfen. Er hatte keine Chance.
    Mein Fehler, dachte er gequält, während ihm der Schweiß ausbrach und kalt den Rücken herabrieselte. Meine Schuld.
    »Sheriff! Sheriff!« Bud mußte ihn an der Schulter rütteln, um ihn aus seiner Versunkenheit zu reißen. »Der Coroner ist da.«
    Cam nickte, hob die Farbdose und die Kamera auf und reichte sie Bud. Neben dem Deputy stand der offizielle Leichenbeschauer, der eine schwarze Tasche in der Hand hielt. Er war ein kleiner, dürrer Mann mit auffallend blasser Haut und fast orientalisch anmutenden Augen; dunkel, leicht schräggestellt und üppig bewimpert. Sein von grauen Strähnen durchzogenes Haar war sorgfältig frisiert, und er trug einen beigefarbenen Maßanzug mit Fliege. Er mußte so um die fünfzig sein, wirkte zurückhaltend und sprach stets sehr leise. Die Gesellschaft seiner Leichen lag ihm mehr als die ihrer lebenden Gegenstücke.
    »Dr. Loomis. Sie sind aber schnell da!«
    »Sheriff.« Loomis streckte eine bleiche, zartknochige Hand aus. »Sieht aus, als hätten Sie ein bißchen Ärger.«
    »Scheint so.« Bei dieser Untertreibung überkam Cam der lächerliche Wunsch, laut loszukichern. »Ein paar Kinder
haben die Leiche vor ungefähr einer Stunde gefunden. Ich habe schon Fotos gemacht und die Konturen nachgezeichnet, Sie müssen also nicht darauf achten, am Tatort nichts zu verändern.«
    »Ausgezeichnet.« Loomis blickte auf die Leiche hinunter. Seine einzige Reaktion bestand darin, die Lippen leicht zu verziehen. Mit berufsmäßiger Gewandtheit öffnete er seine Tasche und entnahm ihr ein Paar Chirurgenhandschuhe.
    »Sie wollen doch wohl nicht …« Bud trat zwei Schritte zurück. »Sie wollen doch wohl nicht sofort hier eine Autopsie oder so was vornehmen?«
    »Keine Sorge.« Loomis gab ein glucksendes Lachen von sich. »Das heben wir uns für später auf.«
    Cam griff wieder nach der Kamera. Sie würden sie noch brauchen. »Bud, geh hoch zur Straße und sorg dafür, daß sich da keine Gaffer versammeln.«
    »Ja, Sir.« Erleichtert trollte Bud sich von dannen.
    »Bißchen nervös, Ihr Deputy, was?«
    »Er ist noch jung, und das ist sein erster Mordfall.«
    »Natürlich, natürlich.« Wieder schürzte Loomis die Lippen. »Die Farbe ist noch feucht.«
    »Tut mir leid. Ich hatte nichts anderes griffbereit.«
    »Kein Problem. Ich werde sie schon nicht verwischen.«
    Loomis holte einen kleinen Rekorder aus der Tasche und stellte ihn umständlich auf einem großen Stein ab. Während er die Leiche untersuchte, sprach er seine Ergebnisse langsam und deutlich auf Band.
    »Wir müssen ihn umdrehen«, meinte er dann sachlich.
    Wortlos legte Cam die Kamera weg, um dem Arzt beim Anheben und Umdrehen des Leichnams zu helfen.
    Er verbiß sich einen Fluch, als er hörte, wie Knochen an Knochen schabte.
    Vorher war es schon schlimm genug gewesen, aber nun starrten Biffs tote Augen ihn an, was Cam unerträglich fand. Im Gegensatz zum Rücken bot die Vorderpartie einen alptraumhaften Anblick. Wunden und Blutergüsse bedeckten den Körper, die mächtige Brust war eingedrückt worden
und dort, wo sich einst Biffs Männlichkeit, auf die er so stolz gewesen war, befunden hatte, klaffte eine grausame Wunde.
    Hinsichtlich der Kniescheiben hatte er recht gehabt, dachte Cam, atmete tief durch und hob die Kamera wieder auf. Während der Coroner sich in unverständlichem Medizinerkauderwelsch erging, schoß Cam

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