Dunkle Herzen
Schweiß brach ihm aus, rann ihm über das Gesicht und durchtränkte sein Hemd unter den Achselhöhlen. Mit dem Ärmel fuhr er sich über den Mund. »O Gott, o Gott«, meinte er kläglich, ehe er sich abwandte und zu einem Gebüsch taumelte, um sich heftig zu übergeben.
Cam blieb stehen, wo er war, und wartete, bis sich der Aufruhr in Buds Verdauungssystem gelegt hatte. Irgendwo auf der anderen Seite des Flusses begann eine Drossel zu trillern. Eichhörnchen flitzten in den Baumwipfeln umher.
»Entschuldige«, stieß Bud hervor und wischte sich mit einer feuchten Hand über das Gesicht. »Ich konnte nichts dagegen … ich hab’ so was noch nie gesehen.«
»Kein Grund, sich zu entschuldigen. Geht’s dir jetzt besser?«
»Ja.« Doch Bud vermied es sorgfältig, zu dem hinzusehen, was da zwischen den Blättern lag. »Glaubst du, er ist angefahren worden? Ich glaube, er könnte von einem Auto
erwischt worden und dann hier runtergerollt sein. Die Leute nehmen diese Kurve immer viel zu schnell.« Wieder wischte er sich über den Mund. »Verdammt viel zu schnell.«
»Ich glaube nicht, daß er überfahren worden ist. Ein Auto kann ihm nicht jeden Knochen im Leib brechen.« Mit zusammengekniffenen Augen fuhr Cam fort, laut zu denken. »Wo sind die Reifenspuren? Wie zum Teufel ist er hierhin gekommen? Wo ist sein Auto, und vor allem, wo sind seine Kleider?«
»Na ja, vielleicht … vielleicht war er wieder mal voll wie ’ne Haubitze. Kann sein, daß wir sein Auto und seine Kleider ein Stück die Straße runter finden. Er ist besoffen hier langgetorkelt, dann kam ein Auto, und …« Bud brach ab, da ihm bewußt wurde, welchen Unsinn er faselte.
Cam drehte sich um und sah Bud in die panikerfüllten Augen. »Ich vermute eher, jemand hat ihn zu Tode geprügelt.«
»Aber das ist Mord! Großer Gott, hier in der Gegend wird doch niemand ermordet.« Vor Entsetzen stieg Buds Stimme noch eine Oktave höher. »Seit T.R. Lewis durchgedreht ist und seinen Schwager erschossen hat, hat es in diesem Teil des Staates keinen Mord mehr gegeben, und damals war ich vielleicht fünf oder sechs Jahre alt. In Emmitsboro wird niemand ermordet.«
Dem Zittern in Buds Stimme nach zu urteilen, stand der Junge kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Cam wußte, daß er die Dinge jetzt langsam angehen mußte, wenn er ihn nicht verlieren wollte. »Wir müssen auf den Coroner warten. In der Zwischenzeit werden wir damit anfangen, dieses Gebiet abzusperren und die Untersuchungen aufzunehmen.«
Das würde Bud eine Weile beschäftigen, dachte Cam. Er selbst war sich bereits sicher, daß Biff nicht hier gestorben war.
»Wir brauchen Fotos, Bud. Geh und hol’ die Kamera.« Er bemerkte den Gesichtsausdruck seines Deputys und legte ihm sacht die Hand auf die Schulter. »Ich werde die Aufnahmen
machen«, beruhigte er ihn. »Geh du nur zum Auto und bring mir die Kamera.«
»In Ordnung.« Bud wandte sich zum Gehen, drehte sich dann aber noch einmal um. »Sheriff, das ist eine böse Sache, nicht wahr?«
»Das kann man wohl sagen.«
Als Bud mit der Kamera zurückkam, schickte Cam ihn wieder zum Straßenrand, um auf den Coroner zu warten, ehe er seine gräßliche Aufgabe in Angriff nahm. Ihm fiel auf, daß Biffs Hand- und Fußgelenke bis auf die Knochen durchgescheuert, Rücken und Hinterteil jedoch völlig unversehrt geblieben waren.
Nachdem er das letzte Foto geschossen hatte, gierte er nach einer Zigarette, unterdrückte das Verlangen jedoch und griff statt dessen nach der Dose mit Sprühfarbe, die er aus dem Büro mitgebracht hatte. Er bückte sich, drückte auf den Zerstäuber und fluchte gotteslästerlich, als nur ein paar einzelne Farbtropfen auf den Boden fielen. Er schüttelte die Dose heftig und hörte, wie die kleinen Kugeln darin melodisch gegeneinanderklackerten.
Dieses Geräusch hatte er schon immer gemocht. Für ihn leitete es den Beginn seiner Ermittlungen ein. Jetzt allerdings würde er lange Zeit keinen gesteigerten Wert mehr darauf legen. Wieder richtete er die Dose auf den Boden und betätigte den Zerstäuber.
Mit grimmiger Belustigung stellte er fest, daß er eine Dose mit kanariengelber Farbe erwischt hatte. Nun, dann mußte er die Silhouette dieses Hurensohnes eben mit einer schönen, leuchtenden Farbe nachzeichnen. Verdient hatte er es nicht.
Cam fing bei den Füßen an und krümmte sich beinahe innerlich, so verletzlich wirkten die zerschlagenen, gebrochenen Zehen.
Dein Hinterteil hat öfter mit diesem Fuß Bekanntschaft
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