Dunkle Herzen
Felsgestein, worin ein riesiger Kamin eingelassen war. Das niedrige, gemütliche Sofa davor lud den Betrachter förmlich zu einem Nickerchen ein.
»Also, ich muß schon sagen …« Clare ging ein paar Schritte darauf zu, blieb dann stehen, drehte sich um und entdeckte die Skulptur. Er hatte sie neben dem offenen Treppenschacht aufgestellt, so daß die Sonnenstrahlen, die durch das direkt darüberliegende Dachfenster fielen, sie voll zur Geltung brachten. Jeder, der durch die Tür kam oder im Wohnzimmer stand, mußte sie einfach bemerken.
Die aus Bronze und Messing gearbeitete Statue maß beinahe vier Fuß; eine ausgesprochen sinnliche Arbeit, die Darstellung einer Frauengestalt, groß, schlank, nackt. Die Arme waren hoch über den Kopf erhoben, das Kupferhaar floß der Figur über den Rücken. Clare hatte sie Weiblichkeit genannt und sich bemüht, all den Zauber und die Magie, die den Reiz einer Frau ausmachen konnten, hineinzulegen.
Zuerst war sie verwundert, eines ihrer Werke in seinem Haus zu finden. Nervös schob sie die Hände in die Hosentaschen.
»Ich, äh … du hast doch gesagt, du glaubst, ich male.«
»Ich hab’ geschwindelt.« Er lächelte sie an. »Es hat mir einfach Spaß gemacht, dich auf die Palme zu bringen.«
Clare bestrafte diese Äußerung mit einem finsteren Blick. »Ich nehme an, du besitzt diese Skulptur schon seit einiger Zeit.«
»Seit ein paar Jahren.« Sachte strich er ihr das Haar hinter das Ohr. »Ich bin einmal durch Zufall in eine Galerie in D.C. geraten. Dort stellten sie auch einige deiner Arbeiten aus, und der Ausflug endete damit, daß ich mit dieser Figur nach Hause gegangen bin.«
»Warum?«
Sie fühlte sich unbehaglich und war verlegen, stellte er fest. Seine Hand glitt von ihrem Haar über ihre Wange bis hin zu ihrem Kinn. »Ich hatte eigentlich gar nicht die Absicht, sie zu kaufen, und damals konnte ich mir derartige Extravaganzen auch kaum leisten. Aber ich habe die Skulptur nur einmal angeschaut und gewußt, daß sie für mich bestimmt war, genau wie ich letzte Nacht in die Garage gekommen bin und dich angeschaut habe.«
Rasch machte Clare sich los. »Ich bin aber dummerweise keine Skulptur, die man kaufen und dann besitzen kann.«
»Nein, das bist du nicht.« Mit zusammengekniffenen Augen musterte er sie. »Du bist verunsichert, weil du weißt, daß ich diese Figur angesehen und dich darin erkannt habe. Weil ich dich verstanden habe. Dir wäre es lieber, wenn dem nicht so wäre.«
»Wenn ich eine Analyse brauche, wende ich mich an meinen Psychiater, vielen Dank.«
»Werd’ ruhig sauer, Clare, das ändert auch nichts.«
»Ich bin nicht sauer«, zischte sie durch die Zähne.
»Und ob. Wir können jetzt entweder hier stehenbleiben und uns anbrüllen, oder ich kann dich wieder nach oben ins Bett schleppen, oder wir können in die Küche gehen und Kaffee trinken. Die Entscheidung überlasse ich dir.«
Clare verschlug es die Sprache, und sie brauchte ein paar Sekunden, bevor sie antworten konnte. »Mein Gott, bist du ein arroganter Hundesohn!«
»Du hast dich also fürs Brüllen entschieden.«
»Ich brülle ja gar nicht«, fauchte sie ihn an. »Aber eines will ich hier und jetzt mal klarstellen. Du schleppst mich nirgendwo hin, verstanden, Rafferty? Wenn ich mit dir ins Bett gehe, dann ist das meine persönliche Entscheidung und geschieht aus meinem freien Willen heraus. Falls es dich interessiert, wir leben in den neunziger Jahren, und dieses Machogehabe imponiert niemandem mehr. Ich lasse mich weder verführen noch zu etwas zwingen, und auf Schmeicheleien falle ich schon mal gar nicht rein. Zwischen mündigen, verantwortungsvollen Menschen ist Sex eine Sache der freien Entscheidung!«
»Wunderbar.« Cam packte sie am Hemd und zog sie an sich. Seine Augen glitzerten gefährlich. »Aber was zwischen dir und mir geschehen ist, war mehr als bloßer Sex, das mußt du ja wohl selber zugeben.«
»Ich muß überhaupt nichts.« Clare wappnete sich innerlich, als er den Kopf senkte, da sie einen harten, zornigen Kuß erwartete, in dem sich sein ganzer Frust entladen würde. Statt dessen berührte sein Mund federleicht den ihren.
Die plötzliche, unerwartete Zärtlichkeit nahm ihr den Wind aus den Segeln.
»Empfindest du dabei etwas, Slim?«
Ihre Lider schienen bleischwer. »Ja.«
Wieder senkten sich seine Lippen auf ihren Mund. »Hast du Angst?«
Sie nickte und seufzte tief, als er seinen Kopf an ihre Stirn lehnte.
»Da bist du nicht die einzige. Bist du jetzt
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