Dunkle Herzen
mit der Herumbrüllerei fertig?«
»Ich denke schon.«
Cam legte ihr den Arm um die Schulter. »Dann laß uns Kaffee trinken.«
Als Cam sie eine Stunde später vor ihrem Haus absetzte, hörte Clare schon von weitem das schrille Klingeln des Telefons. Flüchtig erwog sie, das störende Geräusch zu ignorieren und sich sofort an die Arbeit zu machen, solange ihre Gefühle noch in Aufruhr waren, doch als das Klingeln nicht enden wollte, gab sie resigniert auf und hob den Hörer ab.
»Hallo?«
»Um Himmels willen, Clare.« Angies gekränkte Stimme gellte durch die Leitung. »Wo bist du bloß gewesen? Seit gestern versuche ich vergeblich, dich zu erreichen.«
»Ich war beschäftigt.« Clare langte in eine Tüte mit Plätzchen. »Hab’ gearbeitet und so.«
»Ist dir eigentlich klar, daß ich mich auf den Weg zu dir gemacht hätte, wenn ich dich bis Mittag nicht erreicht hätte?«
»Angie, ich habe dir doch schon wiederholt versichert, daß es mir gut geht. Hier passiert nie etwas.« Biff Stokey kam ihr in den Sinn. »Na ja, fast nie. Aber du weißt doch, daß ich so gut wie nie ans Telefon gehe, wenn ich bei der Arbeit bin.«
»Ah ja. Und heute morgen um drei Uhr hast du vermutlich auch gearbeitet.«
Clare zog die Unterlippe zwischen die Zähne. »Also um
drei Uhr heute morgen war ich ganz bestimmt beschäftigt. Worum geht’s denn?«
»Ich hab’ Neuigkeiten für dich, Mädel. Große Neuigkeiten.«
Clare ließ das Plätzchen wieder in die Tüte fallen und griff nach einer Zigarette. »Wie groß?«
»Du wirst es nicht glauben. Das Betadyne-Institut in Chicago baut einen neuen Flügel an, der den Frauen in der Kunstwelt gewidmet werden soll. Sie wollen drei deiner Arbeiten erwerben, die auf Dauer ausgestellt werden sollen. Und«, fügte sie hinzu, als Clare anerkennend durch die Zähne pfiff, »es kommt noch besser.«
»Besser?«
»Sie wollen dich damit beauftragen, eine Skulptur herzustellen, die draußen vor dem Gebäude aufgestellt wird, zur Ehre aller Frauen, die Beiträge zur Kunst leisten.«
»Jetzt muß ich mich erst mal setzen.«
»Der Anbau wird voraussichtlich in zwölf bis achtzehn Monaten fertiggestellt sein. Die Kommission hätte gerne bis September einige Entwürfe von dir, und natürlich wird erwartet, daß du bei der Eröffnung anwesend bist und Presse- und Fototermine wahrnimmst. Jean-Paul und ich werden dir alle Einzelheiten auseinandersetzen, wenn wir runterkommen.«
»Wenn ihr was?«
»Wir kommen dich besuchen.« Angie stieß einen ungeduldigen Seufzer aus. »Ich hatte ja gehofft, daß du nach New York zurückkommst, um hier zu arbeiten, aber Jean-Paul meint, wir sollten uns erst einmal persönlich davon überzeugen, was du in Emmitsboro leistest.«
Clare preßte eine Hand gegen die Stirn. »Angie, ich versuche gerade, all das zu verdauen.«
»Stell du nur schon mal Champagner kalt, Clare. Wir werden Montag so gegen Mittag da sein. Sollen wir außer Plänen und Verträgen noch etwas mitbringen?«
»Betten«, erwiderte Clare schwach.
»Wie bitte?«
»Ach, nichts.«
»Gut. Jean-Paul ruft dich morgen noch einmal an, um sich den Weg erklären zu lassen. Herzlichen Glückwunsch, Mädel.«
»Danke.« Clare hängte ein und rieb sich mit den Händen über das Gesicht. Dies war der nächste Schritt, überlegte sie, der Schritt, auf den sie hingearbeitet, der Schritt, zu dem Angie sie getrieben hatte. Sie wünschte nur, sie wäre sicher, schon dafür bereit zu sein.
Nach dem Telefongespräch arbeitete Clare den ganzen Morgen ununterbrochen. Am späten Vormittag spürte sie ihre Hände kaum noch, so daß sie beschloß, für heute aufzuhören. Ihr sollte es recht sein, dachte sie. Schließlich hatte sie noch Einkäufe zu erledigen; sie brauchte Betten, Laken, Handtücher und so weiter, all die kleinen Annehmlichkeiten, die ein Gast erwartete. Sie konnte die Läden der Stadt durchstöbern, und mit etwas Glück würde Cam Zeit haben, sie zu begleiten.
Würde ein gemeinsamer Einkaufsbummel nicht beweisen, daß sie sich nicht vor einer Intensivierung ihrer Beziehung fürchtete?
Na sicher. Und die Tatsache, daß sie sich den ganzen Tag in ihrer Arbeit vergraben hatte, bewies, daß sie sich nicht davor fürchtete, den größten und wichtigsten Auftrag ihrer bisherigen Karriere anzunehmen.
Clare ging nach oben, um sich umzuziehen, doch wie von einem Magnet angezogen, lenkte sie ihre Schritte zu den Stufen, die zum Dachgeschoß führten. Die Tür stand offen, so, wie sie sie hinterlassen
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