Dunkle Rosen: Roman (German Edition)
weil sie Jane ansah, dass sie davon wusste und Angst bekam. »Du weißt davon, und ich weiß es auch. Die Figürchen oder, sagen wir, der Krempel ist mir nicht wichtig, aber ich will die Papiere. Die Bücher, die Briefe, die Tagebücher. Ich sage dir ganz offen, Jane, dass ich vorhatte, dich zu bestechen, um sie zu bekommen. Als Gegenleistung wollte ich dir helfen, einen Job und eine Wohnung zu finden, und dir nötigenfalls ein wenig Startkapital geben. Aber das möchte ich nun ohnehin für dich tun.«
»Warum?«
Roz beugte sich vor. »Tante Clarise hätte mich fertig gemacht, wenn sie es vermocht hätte. Sie hätte mich manipuliert, mein Leben in die Hand genommen, meinen Willen gebrochen. Wenn sie gekonnt hätte. Das habe ich nicht zugelassen. Und ich sehe nicht ein, warum ich zulassen soll, dass sie das Gleiche mit dir macht.«
»Das hat sie nicht. Ich bin selbst schuld daran. Darüber kann ich nicht sprechen.«
»Dann tun wir das auch nicht. Ich setze dich nicht unter Druck.« Das wäre ein Leichtes für sie gewesen, wusste Roz. Und genau aus diesem Grunde konnte sie es nicht. »Ich gebe dir jetzt meine Telefonnummern. Hier sind meine Privatnummer, meine Handynummer und meine geschäftliche Nummer. Bewahr sie irgendwo auf, wo Tante Clarise sie nicht findet. Du musst dir darüber im Klaren sein, dass sie deine Sachen durchwühlt, wenn du nicht da bist.«
Jane nickte. »Das spielt keine Rolle. Ich habe ja nichts.«
»Wenn du diese Einstellung beibehältst, wird sich daran auch nichts ändern. Überleg dir, was du willst, und wenn du möchtest, dass ich dir helfe, nur zu. Dann ruf mich an.«
»Du würdest mir helfen, auch wenn ich dir nicht helfe?«
»Ja. Im Falle eines Falles kann ich mir selbst helfen. Tante Clarise hat etwas, das mir gehört, und ich muss es wiederhaben. Also bekomme ich es auch. Wenn du von ihr fortwillst, helfe ich dir. Bedingungslos.«
Jane öffnete den Mund, schloss ihn wieder und erhob sich rasch. »Rosalind. Könnten wir … könnten wir vielleicht woanders hingehen? Sie weiß, dass ich herkomme, und vielleicht …«
»… hat sie Informanten? Ja, schon möglich. Also gut, gehen wir woandershin. Mein Wagen steht gleich vor der Tür.«
Roz fuhr sie zu einem kleinen, etwas abgelegenen Diner, wo niemand sie kannte und wo Clarise Harper wohl kaum einkehren würde. Es roch nach Gegrilltem und gutem, starkem Kaffee.
Roz bestellte ihnen beides, um Jane Zeit zu geben, sich etwas zu beruhigen.
»Hattest du zu Hause einen Job?«
»Ich, äh, ich habe ein bisschen Büroarbeit erledigt, im Betrieb meines Vaters. Er hat doch diese Firma für Bodenbeläge.«
»Magst du Büroarbeit?«
»Nein, gar nicht, und ich glaube, ich bin auch nicht besonders gut darin.«
»Was machst du denn gern?«
»Ich glaube, ich würde gerne in einer Buchhandlung arbeiten oder in einer Galerie. Ich mag Bücher und Kunst. Damit kenne ich mich sogar ein bisschen aus.«
»Das ist ein guter Anfang.« Um das Mädchen zum Essen zu ermuntern, anstatt dass sie nur nervös an den Sesamkörnern auf ihrem Brötchen herumspielte, ergriff Roz die Hälfte des riesigen Sandwichs, das sie bereits geteilt hatte, und biss hinein. »Hast du etwas eigenes Geld?«
»Ich habe ungefähr zweitausend gespart.«
»Noch ein guter Anfang.«
»Ich bin schwanger geworden«, platzte Jane heraus.
»Oh, Schätzchen.« Roz legte das Sandwich hin und griff nach Janes Hand. »Du bist schwanger?«
»Nicht mehr.« Tränen rollten Jane über die Wangen. »Letztes Jahr. Es war letztes Jahr. Ich … er war verheiratet. Er hat gesagt, er liebt mich und will seine Frau verlassen. Ich bin so ein Idiot. Ich bin so dämlich.«
»Hör auf«, sagte Roz energisch und reichte Jane ein Papiertaschentuch. »Das bist du überhaupt nicht.«
»Er war verheiratet, und das wusste ich. Aber ich kam einfach nicht dagegen an. Es war so schön, begehrt zu werden, und es war so aufregend, alles geheim zu halten. Ich habe alles geglaubt, was er gesagt hat, Rosalind.«
»Sag einfach Roz. Natürlich hast du ihm geglaubt. Schließlich warst du in ihn verliebt.«
»Aber er hat mich nicht geliebt.« Kopfschüttelnd begann Jane, das Papiertaschentuch zu zerpflücken. »Dann stellte ich fest, dass ich schwanger war, und habe es ihm gesagt. Er war so kalt, so, na ja, nicht richtig wütend, nur sauer. Als wäre das einfach ein bisschen lästig. Er wollte, dass ich das Kind abtreiben lasse. Ich war völlig schockiert. Er hatte gesagt, wir würden heiraten, und jetzt
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