Dunkle Rosen: Roman (German Edition)
Nacken kreisen. »Sie haben ein paar faszinierende Verwandte, Rosalind. Die Zeitungsausschnitte, die ich bisher über die Harpers gesammelt habe und die bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts zurückreichen, würden schon einen ganzen Karteikasten füllen. Wussten Sie zum Beispiel, dass einer Ihrer Vorfahren 1860 für den Pony-Express geritten und in den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts mit Buffalo Bills Wild-West-Show umhergezogen ist?«
»Mein Urgroßonkel Jeremiah, der anscheinend schon als
Junge von zu Hause fortgelaufen ist, um für den Pony-Express zu reiten. Er hat mit Indianern gekämpft, war Kundschafter für die Army, hat eine Komantschin geheiratet und offenbar nahezu gleichzeitig eine weitere Frau in Kansas City. In der Wild-West-Show war er Kunstreiter, und unter den spießigeren Mitgliedern unseres Clans galt er damals als schwarzes Schaf.«
»Und wie steht es mit Lucybelle?«
»Äh …«
»Erwischt. Hat 1858 Daniel C. Harper geheiratet und ihn zwei Jahre später wieder verlassen.« Der Stuhl knarrte, als Mitch sich zurücklehnte. »1862 taucht sie in San Francisco wieder auf, wo sie ihren eigenen Saloon und Puff eröffnet hat.«
»Davon habe ich noch nie gehört.«
»Daniel C. behauptete, er habe sie in eine Klinik in New York geschickt, ihrer Gesundheit zuliebe, und dort sei sie an der Schwindsucht gestorben. Das war wohl Wunschdenken, nehme ich an. Doch mit ein wenig Fleiß und Zauberei habe ich herausgefunden, dass unsere Lucybelle stattdessen die Raubeine Kaliforniens unterhalten hat. Dort hat sie bei offenbar guter Gesundheit noch dreiundzwanzig Jahre gelebt.«
»Sie sind wirklich vernarrt in dieses Zeug.«
»O ja, durchaus. Stellen Sie sich Jeremiah vor, fünfzehn Jahre alt, wie er durch die Prärie galoppiert, um die Post auszuliefern. Jung, verwegen und drahtig. Sie haben per Anzeige nach drahtigen Jungs gesucht, damit die Pferde es nicht so schwer hatten.«
»Tatsächlich.« Roz lehnte sich mit der Hüfte an die Ecke seines Schreibtischs.
»Tief über sein Ross gebeugt ritt er wie der Teufel, stob sogar Kriegstruppen davon, bedeckt mit Schmutz und Schweiß oder halb erfroren vor Kälte.«
»Und so wie Sie das sagen, hatte er dabei eine Mordsgaudi.«
»Irgendwas musste ja da dran sein, oder? Und dann Lucybelle,
einst brave Ehefrau aus der Gesellschaft von Memphis, in einem roten Kleid mit einer großkalibrigen Pistole im Strumpfhalter …«
»Sie sind ja wirklich romantisch.«
»Sie musste eine Pistole im Strumpfhalter haben, wenn sie Abend für Abend an der Bar gearbeitet oder die Goldgräber beim Kartenspiel betrogen hat.«
»Ich frage mich, ob die Wege der beiden sich je gekreuzt haben.«
»Sehen Sie«, sagte Mitch befriedigt. »So werden Sie in die Sache hineingezogen. Das ist übrigens durchaus möglich. Vielleicht hat Jeremiah die Türen zu jenem Saloon aufgestoßen und an der Bar einen Whiskey getrunken.«
»Und sich an den anderen Angeboten erfreut, während der gesetztere Teil der Familie sich auf der Veranda Luft zufächelte und sich über den Krieg beklagte.«
»Zu Ihrer Familie gehörten eine Menge gesetzter Leute und eine Menge schwarzer Schafe. Es gab Geld, und es gab Prestige.« Mitch schob einige Papiere beiseite und zog die Kopie eines weiteren Zeitungsausschnitts hervor. »Und gehörigen Charme.«
Roz betrachtete das Foto von sich selbst bei ihrer Verlobung, mit süßen, lebenssprühenden Siebzehn.
»Damals hatte ich noch nicht einmal die Highschool verlassen. Noch nicht trocken hinter den Ohren und stur wie ein Esel. Niemand konnte mich davon abbringen, John Ashby zu heiraten, in dem Juni, nach dem diese Aufnahme entstanden ist. Himmel, sehe ich nicht aus, als wäre ich zu allem bereit?«
»Hier habe ich auch Artikel über Ihre Eltern. Sie ähneln keinem der beiden.«
»Nein. Sie haben immer gesagt, ich sähe aus wie mein Großvater auf der Harper-Seite. Er starb, als ich noch ein Kind war, aber den Bildern zufolge, die ich kenne, gleiche ich ihm.«
»Ja, das stimmt – ich habe auch ein paar Fotos gesehen. Reginald Edward Harper junior, geboren … 1892, jüngstes Kind
und einziger Sohn von Reginald und Beatrice Harper.« Mitch las in seinen Aufzeichnungen. »Verheiratet mit, äh …«
»Elizabeth McKinnon. An sie erinnere ich mich sehr gut. Von ihr habe ich die Liebe zum Gärtnern geerbt, und sie hat mir vieles über die Pflanzen beigebracht. Mein Vater behauptete immer, ich sei ihr Liebling, weil ich aussah wie mein Großvater.
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