Dunkle Sehnsucht
beißen werde ich dich nicht. Kanüle und Beutel, so machen wir das«, sagte ich nur.
Tate zuckte mit den Schultern. »Bedien dich.«
Don drückte einen Knopf. »Anne, könnten Sie eine Kanü-
le und einen leeren Blutspendebeutel holen?«
Die Pflegerin nickte und hatte das Gewünschte in exakt zwei Minuten griffbereit. Tate winkte ab, als Anne sich an die Arbeit machen wollte und führte sich die Nadel selbst ein. Bald füllte sich der Beutel mit karmesinroter Flüssigkeit.
Mein Magen ließ zu meiner Beschämung ein für jeden im Raum gut vernehmbares Knurren hören.
»Verrätst du uns auch, warum du nicht von ihm trinkst?«, wollte Tate mit einem Kopfrucken in Richtung Bones wissen.
»Er ist zu stark. Mit den Kräften, die ich von ihm beziehe, kann ich nicht umgehen«, antwortete ich und versuchte, nicht zu gebannt den inzwischen halb vollen Beutel an-zustarren.
»Und einer wie ich ist schön schwach.« Tate stieß ein Schnauben aus. »Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du wie eine Vasektomie wirkst? Ich kann schon gar nicht mehr mitzählen, wie oft du mir die Eier abgeschnitten hast.«
Obwohl Tate sich nach allem, was er in den letzten Jahren so abgezogen hatte, eine Abreibung wirklich verdient hatte, konnte ich mich nicht dazu bringen, Salz in seine Wunden zu streuen. »Du bist nicht schwach; du bist einfach ein junger Vampir. Wärst du so alt wie Bones, könnte ich sicher auch nicht mehr von dir trinken.«
Ich spürte Bones' Erheiterung, während Tate murmelte:
»Nur so zur Info: Mitleid macht die Demütigung erst perfekt, also versuch nächstes Mal nicht, mich aufzuheitern.«
Ich warf die Hände in die Höhe. Männer. Mit denen konnte man einfach nicht vernünftig reden.
»Wie soll Dave Kontakt zu uns aufnehmen, während er ermittelt?«, wechselte Bones das Thema, indem er sich an Don wandte.
Mein Onkel runzelte die Stirn. »Wie immer. Anrufen, wenn sich eine sichere Gelegenheit bietet.«
»Zu riskant«, stellte Bones fest. »Sein Handy könnte überwacht, SMS und E-Mails abgefangen werden. Ihr braucht ein Kommunikationsmittel, mit dem die Ghule nicht rechnen, während Dave noch dabei ist, sich ihr Vertrauen zu er-schleichen.«
»Und welches Kommunikationsmittel wäre das?«, fragte Don mit unverhohlener Skepsis in der Stimme.
Bones lächelte verschmitzt. »Geisterkurier.«
»Natürlich!«, rief ich und räumte Dave mit einem Mal schon viel bessere Chancen ein. »Falls die Ghule Fabian überhaupt bemerken, werden sie ihn einfach ignorieren.«
Don schien Interesse zu haben. »Wäre der Geist zu so etwas bereit?«
»Wir fragen ihn, aber ich wette, er sagt Ja.« Je mehr ich darüber nachdachte, desto besser wurde meine Laune. »Fabian hat mir erzählt, dass er vor allem das Gefühl vermisst, nützlich zu sein. Wenn man körperlos ist, hat man einen ziemlich eingeschränkten Wirkungskreis, musst du wissen.«
Gesellschaft hatte Fabian auch vermisst, weshalb er bei Bones und mir gelandet war. Einsamkeit empfanden nicht nur die Lebenden.
70
»Warum können wir Fabian nicht als verdeckten Ermittler und Kurier einsetzen, statt die Aufgaben zwischen Dave und Fabian aufzuteilen?«, wollte Cooper wissen.
Ich schürzte die Lippen. So verlockend die Vorstellung auch war, weil sie das geringste Risiko bedeutet hätte, war sie doch nicht praktikabel.
»Geister werden gemeinhin ignoriert, aber um an die gleichen Informationen zu kommen wie Dave, der so tun wird, als wollte er in die Gruppe aufgenommen werden, müsste Fabian die Ghule buchstäblich auf Schritt und Tritt verfolgen. Wenn die dann zwei und zwei zusammenzählen, weil immer derselbe Geist um sie herumschwirrt, geben sie ihm womöglich Falschinformationen.«
Manchmal machte man es eben besser auf die traditionelle Art, auch wenn die das größere Risiko beinhaltete.
Tate zog sich die Nadel aus dem Arm, und der kleine Einstich war verheilt, bevor er mir den vollen Beutel reichen konnte.
»Da wäre noch jemand, der bei dieser Operation hilfreich sein könnte«, sagte er bedächtig. »Ein freier Journalist, der Geheiminformationen über paranormale Vorgänge öffentlich macht.«
»Wie kann ein Journalist uns behilflich sein, eine Bande fanatischer Ghule aufzuspüren? Die kündigen ihre An-ti-Vampir-Versammlungen doch nicht in der Zeitung an, oder?«
»Der Typ hat gute Instinkte«, antwortete Tate mit leichter Bitterkeit im Tonfall. »So gute, dass wir inzwischen einen Mitarbeiter haben, der einzig und allein dafür zuständig ist, seine
Weitere Kostenlose Bücher