Dunkle Sehnsucht
bin so froh, dass du das fragst.«
Die Lichter der Stadt sausten an uns vorbei, als Bones den Freeway entlangfegte. Mehr zur Beruhigung als aus Furcht, vom Motorrad zu fallen, hatte ich die Arme um ihn ge-schlungen. Angst machte mir das Motorradfahren zwar nicht mehr - der Tod kurierte einen wirklich von vielen Pho-bien -, aber ich würde wohl nie so versessen darauf sein wie Bones. Und ohne Helm fahren, wie er, wollte ich schon gar nicht. In der lauen Sommerluft tummelten sich schließlich jede Menge Insekten. Igitt.
In den vergangenen zehn Tagen waren wir vergebens durch die Nachtlokale gezogen in der Hoffnung, dabei so harmlos und entspannt zu wirken, dass irgendwelche auf-wieglerischen Ghule der Verlockung, uns zu überfallen, nicht widerstehen konnten. So viel Glück war uns allerdings nicht beschieden. Ed und Scratch hatten in der Zwischenzeit auch keinen Zusammenstoß mit irgendwelchen Ghulen mehr gehabt. Timmie, der sich bereit erklärt hatte, uns zu helfen, war ebenfalls noch auf keine heiße Spur gesto-
ßen. Dave tingelte seinerseits durch alle möglichen Etablissements, in denen laut Ed und Scratch verdächtige Ghule verkehrten, wobei er so tat, als wäre er selbst auf der Suche nach einer netten Fanatikerbande, der er sich anschließen konnte. Bisher allerdings hieß es unverändert eins zu null für die Ghule.
Der Verstand sagte mir, dass das nicht anders zu erwarten gewesen war. Dass Apollyon zu gerissen war, um sich so leicht in die Falle locken zu lassen, aber ich war trotzdem frustriert. Jeder Tag, den ich damit verbrachte, die Anhän-gerschaft dieses Fanatikers aufzuspüren, war ein Tag weniger, an dem ich meinen Onkel und meine Mutter davon abbringen konnte, sich Hals über Kopf ins Verderben zu stürzen. Konnten die bösen Buben nicht ausnahmsweise mal ein
bisschen entgegenkommender sein?
Anscheinend nicht, also war es an der Zeit, die Taktik zu ändern. Vielleicht hatten sich Apollyons Ghule in eine andere Stadt verzogen, nachdem Bones und ich in Ohio aufgetaucht waren. Vielleicht wollten sie ihren Angriff auch erst starten, wenn sie mehr Unterstützung hatten. Wer wusste das schon? Fest stand nur, dass unsere jetzige Strategie nicht funktionierte, und wir hatten keine Zeit abzuwarten, ob wir in zehn Tagen vielleicht mehr Erfolg haben würden.
Ich hatte eine Idee für einen potenziellen Plan B: mich mehrmals ohne Bones in der Öffentlichkeit zeigen. Zur Not konnte Mencheres verbreiten, er hätte irgendwelche drin-genden Angelegenheiten mit Bones zu besprechen, um zu erklären, warum er mich nicht begleitete. Bones allerdings weigerte sich rundheraus, meinen Plan auszuprobieren. Zu gefährlich, meinte er, also musste ich das Thema fallen lassen oder tun, was ich hoch und heilig geschworen hatte zu unterlassen: es hinter seinem Rücken machen und das Risiko auf mich nehmen.
Das hatte ich bereits mehrmals so gemacht, weil es mir der einzige Ausweg zu sein schien, obwohl es bisher immer nach hinten losgegangen war. Ich war zwar einerseits wild entschlossen, Bones zu zeigen, dass ich aus meinen Fehlern gelernt hatte, aber für die Rebellin in mir stand fest, dass Bones durchaus einen Sinn darin gesehen hätte, mich als Lockvogel einzusetzen, wäre ich nicht zufällig seine Frau gewesen. Aber wir hatten einander versprochen, dass wir unsere Kämpfe gemeinsam ausfechten würden, damit nicht einer allein - für gewöhnlich ich - losziehen und den anderen ohnmächtig zurücklassen musste. Und dieses Versprechen wollte ich halten.
Es würde schwierig werden, die bösen Buben aufzuhalten, aber manchmal kam es mir nicht weniger schwierig vor, zwei gleichermaßen willensstarke Persönlichkeiten in Einklang zu bringen. Wäre Bones allerdings ein Weichei gewesen, das ich mit Leichtigkeit hätte in die Tasche stecken können, hätte ich ihn natürlich auch nicht so geliebt. Seine unbeug-same Entschlossenheit, die mich jetzt so frustrierte, war es schließlich gewesen, die ihn anfangs so interessant für mich gemacht hatte. Über mich hatte er einmal etwas ganz Ähnliches gesagt. Wir waren wohl beide nicht nur stur, sondern auch masochistisch veranlagt.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Bones abrupt vom Highway abbog. Bei seinem Tempo hatten wir schnell das Chicagoer Umland erreicht, wo Mencheres im Augenblick wohnte, damit seine Freundin in der Nähe ihrer Familie sein konnte. Ich fand die Vorstellung, dass der Me-ga-Meister jetzt in einer Beziehung lebte, noch immer befremdlich, aber
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