Dunkle Sehnsucht
Mencheres war bis über beide Fänge in Kira verliebt. Im Gegensatz zu der mordlustigen Xanthippe, mit der er vorher verheiratet gewesen war, schien sie sogar ein nettes Mädchen zu sein. Andernfalls hätte sich die Welt in Acht nehmen müssen. Wenn Mencheres sich verliebte, dann richtig. Falls Kira auf die Idee kam, sich einen Kontinent zum Geburtstag zu wünschen, würde Mencheres vermutlich einen für sie erobern, bevor sie die Kerzen auf ihrer Torte aus-geblasen hatte.
Ein paar zugige Straßen später hatten wir uns der Über-wachungskamera am Tor präsentiert und fuhren bei Mencheres vor. Das dreistöckige Haus bot statt fünfzig nur fünf-zehn Bewohnern Platz und war damit um einiges kleiner als Mencheres' übrige Anwesen. Die neue Bescheidenheit war ein weiteres Zugeständnis an Kira.
»Das ist kein Haus; das ist ein Hotel«, hatte sie über das Ei-genheim gesagt, in das Mencheres ursprünglich mit ihr hatte einziehen wollen, und der ehemalige Pharao hatte ohne ein Wort des Protests eine bescheidenere Herberge bezogen.
»Siehst du?«, flüsterte ich Bones zu und stieß ihn grinsend mit dem Ellbogen an. »Er widersetzt sich ihr nie. Ist das nicht süß?«
Bones stieß ein Schnauben aus, bevor er antwortete.
»Träum weiter, Schatz.«
Er war noch dabei, die Ducati abzustellen, als die Haustür aufging und Gorgon, eine Art nordischer Alfred als Unterstützung für Batman Mencheres, heraustrat. Ich setzte den Helm ab und zog gleichzeitig die Ohrstöpsel meines iPods heraus - als Beifahrerin musste ich schließlich nicht auf den Verkehr achten -, als statt des letzten Albums von Norah Jones ganz andere Töne an meine Ohren drangen.
Gorgon wirkte so gelassen, als Körte er die Stöhnorgie gar nicht, die aus dem Obergeschoss des Hauses hinter ihm drang.
»Bones, Cat. Mencheres hat bedauerlicherweise gerade andere Verpflichtungen, aber kommt doch bitte herein.«
Einzig meine neu erworbene vampirische Körperbeherr-schung verhinderte, dass mir das Blut in die Wangen schoss, aber Bones lachte laut los.
»Offenbar hat er es bisher versäumt, sein Schlafzimmer schalldicht isolieren zu lassen; uns ist also durchaus klar, dass er seine Verpflichtungen überhaupt nicht bedauerlich findet.«
Ein gewaltiger Rums, gefolgt von einem lautstarken Quieken, ließ mich verwirrt zum Obergeschoss aufsehen.
Was machte er bloß mit ihr?
Gorgon wirkte verdutzt, und Bones' Lachen nahm eine anzügliche Qualität an. »Keine Ahnung, aber nachher werde ich ihn auf jeden Fall fragen.«
Ups. Das hatte ich wohl laut gesagt. Ich räusperte mich und musste mich noch einmal schwer zusammenreißen, damit die eindeutige Geräuschkulisse mir nicht doch noch das Blut in die Wangen schießen ließ.
»Äh, der Garten hinter dem Haus ist wirklich reizend «,
stammelte ich. »Letztes Mal hatten wir, glaube ich, gar keine Zeit, ihn uns anzusehen, Bones.«
»In einer guten Stunde sind wir wieder hier«, wandte Bones sich lauter als nötig an Gorgon. Der anhaltende Lärm aus dem Obergeschoss ließ allerdings vermuten, dass Mencheres trotzdem nichts mitbekommen hatte, aber ich wartete nicht lange genug ab, um mich zu vergewissern. Den Rasen hinter dem Haus anstrebend, stöpselte ich mich wieder in meinen iPod ein. Ich lief ziemlich schnell, und nach ein paar Klicks auf die Lautstärkeregelung konnte ich bald nur noch Norah über junges Blut und heimkehrende Geister schmachten hören. Das war um einiges besser, als Bones'
Mitregenten und seine Freundin bei ihren wilden Sexspielen zu belauschen.
Mit ein paar ausladenden Schritten holte Bones mich ein.
Er sagte kein Wort, obwohl ich am Zucken seiner Mundwinkel unschwer erkennen konnte, wie sehr mein Unbehagen ihn amüsierte. Ihm war natürlich gar nichts peinlich. Seine Tätigkeit als Gigolo für Londons gelangweilte Damen der Oberschicht hatte sein Schamgefühl schon lange vor seiner Menschlichkeit getötet. Da ich schon als Kind über ein vampirisch scharfes Gehör verfügt hatte, war es auch für mich nicht das erste Mal, dass ich Leuten beim Sex zuhörte. Diesmal aber war Mencheres beteiligt, der altehrwürdige und ein wenig furchteinflößende Vampir, dessen ungeheure Kräfte mir bereits seit meiner ersten Begegnung mit ihm unheimlich waren. Daher fand ich es umso seltsamer, ihn jetzt stöhnen und schreien zu hören wie, na ja, jeden anderen eben.
»Wenigstens wird er guter Stimmung sein, wenn wir ihn endlich sprechen können«, sagte ich zu Bones, ohne die Ohr-hörer
Weitere Kostenlose Bücher